Ärger in Vorst Windräder: Ein Fall für Juristen
Vorst/Kreis Viersen · Der Kreis Viersen hat zur Genehmigung von zwei Windrädern in Vorst Stellung bezogen.
Gut 90 Zuhörer haben die Sondersitzung des Kreis-Planungsausschusses zum Thema Windenergieanlagen in Vorst besucht. Dezernent Andreas Budde nahm zum Verfahren Stellung. Eine hochkomplexe Angelegenheit. Eine, in der Juristen nun abzuwägen haben, wer in dem Genehmigungsverfahren um zwei Windräder im Landschaftsgebiet Am Flöthbach der Dumme, der Gleichgültige und der Clevere war und ist, ob Chancen auf eine frühzeitige öffentliche Beteiligung vertan wurden, ob und welche Beteiligte ihren Ermessens- und Gestaltungsspielraum nicht ausgeschöpft haben.
Hat der Kreis als zuständige Behörde alle Punkte des Genehmigungsverfahrens auf Grundlage von Recht und Gesetz befolgt, rechtmäßig zugunsten der Firma SL Windenergie GmbH entschieden? Das Unternehmen aus Gladbeck besitzt seit Januar das amtliche Einverständnis zum Bau von zwei Windenergieanlagen an der Ortsgrenze von Vorst zu Süchteln. Das Windradmodell hat eine Nabenhöhe von 135 Metern plus einen Rotordurchmesser von 127 Metern. Gesamthöhe: 198,5 Meter.
SL Windenergie hat als Antragsteller im Rahmen dieses vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz von seinem Recht Gebrauch gemacht, die nicht vorgeschriebene öffentliche Beteiligung auch nicht freiwillig möglich zu machen. Eine Nachfrage des Kreises wurde schlicht mit Nein beantwortet. Damit war eine frühzeitige Vorstellung der Pläne für Bürger vom Tisch. Budde betonte in dem Zusammenhang: „Wir haben als Kreisverwaltung keine Bringschuld.“
Die Initiative gegen die Windräder beklagt Nicht-Transparenz: „Solche tiefgreifenden Entscheidungen dürfen nicht ohne Information und Mitgestaltungsmöglichkeit der Öffentlichkeit erfolgen.“ Hätte der Kreis Viersen mehr Steuerungsmöglichkeiten hinsichtlich der Beteiligung von Bürgern gehabt?
Die Vorster Windräder werden, wenn sie tatsächlich errichtet werden, nahe des Flöthbachs stehen, dort, wo das Gewässer mit Blick auf Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie naturnah entwickelt werden soll. Der Niersverband hatte keine Bedenken. Die Naturschutzverbände BUND, Nabu und LNV NRW sollen sich laut Kreis-Dezernent Reinhard Budde nicht geäußert haben.
Erst ab Errichtung von 20 Windenergieanlagen ist im Rahmen des Gesetzes der Umweltverträglichkeitsprüfung eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen, eine Vorprüfung ab drei Windenergieanlagen. Bei zwei Anlagen, wie für Vorst beantragt, aber nicht. Die Prüfung hätte die SL Windenergie GmbH freiwillig durchführen lassen können. Tat sie aber nicht.
Das Vorhaben liegt im Außenbereich des Stadtgebiets, bedurfte laut Kreis gemäß Baugesetzbuch des planungsrechtlichen Einvernehmens der Stadt Tönisvorst. Die Kommune, so Budde, habe Planungshoheit. Das sei ihr ureigentliches Recht.
Vorrangflächen für Windkraftanlagen, wie sie im neuen Regionalplan ausgewiesen seien, hat Tönisvorst bisher nicht in ihren Flächennutzungsplan übernommen. Das schließlich erteilte Einvernehmen, zu dem Bürgermeister Thomas Goßen im städtischen Planungsausschuss betont hatte, keine andere Handlungsmöglichkeit gehabt zu haben, sei unwiderruflich. Der Kreis habe keinerlei Druck auf die Stadt Tönisvorst ausgeübt, versicherte Budde.
In einer Sitzungsunterbrechung konnten Bürger Fragen stellen. Kritik richtete sich unter anderem an Ausschussmitglied Peter Joppen (CDU), der in einem WZ-Interview erklärt hatte, dass er den Standort für die Windkraftanlagen zwar nicht wünsche. „Aber ich brauche ja auch noch Strom, um meine Kühe zu melken“, so der Vorster Landwirt. „Ich habe mich klar positioniert und dazu stehe ich auch“, sagte Joppen. Jeder wolle doch Stromversorgung habe, und „Kohle und Kernenergie sollen es nicht mehr sein“.
Wie wird der
Strom weitergeleitet?
Antworten auf Fragen, welche Zuwegung zu den Windrädern nötig sei und wie der Strom weitergeleitet werde, wurde mit Hinweis auf ein gesondertes Verfahren vertagt. Weitere Fragen bezogen sich auf Regional- und Flächennutzungsplan, ihre Anpassung auf den aktuell empfohlenen Abstand von 1500 Metern zwischen Windenergieanlagen und Bebauung, auf Gesundheitsrisiken durch Infraschall… Budde betonte mehrfach, man müsse immer zwischen Planungs- und Genehmigungsrecht unterscheiden. So sei beispielsweise der Landesentwicklungsplan noch nicht gültig, in diesem Verfahren daher noch nicht anwendbar.
Für Bernd Bedronka (SPD) hat der Vorgang – „politisch bewertet – ein „Geschmäckle“. Irritiert zeigte er sich vom Verhalten der Stadt Tönisvorst, die erst das Einvernehmen ausgesprochen, dann Klage gegen die Genehmigung erhoben habe. „Diesen Widerspruch hat Tönisvorst zu bewältigen.“Nanette Amfaldern (CDU) hielt es für sinnvoller, die Öffentlichkeit früher zu beteiligen. Ein Fehlverhalten des Kreises oder der Stadt könne sie aber nicht erkennen. René Heesen (Grüne) riet dazu, nun juristisch das Verfahren abzuwarten.
Aktuell hat die Stadt Tönisvorst gegen die Genehmigung beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage erhoben. Sie fordert die Aufhebung des Bescheides. Außerdem liegen sechs Widersprüche Dritter vor (Stand 12. April). Weitere private Kläger werden erwartet. Dem Kreis liegen außerdem drei Petitionen und zwei Fachaufsichtsbeschwerden vor.
Die Bürgerinitiative der Süchtelner und Vorstern sammelt weiter Unterschriften gegen die Windräder in Vorst. Bis zum 3. Mai können Widersprüche und Klagen gegen das Verfahren und die Genehmigung erhoben werden. Sie haben aufschiebende Wirkung. Bis sie juristisch bearbeitet sind, dard SL Windenergie keinen Gebrauch von der Genehmigung machen.
Ausschussvorsitzender Hans Joachim Kremser plädierte am Ende der Sitzung für „mehr Miteinander. So eine Energiewende muss man unter Beteiligung der Bürger schaffen.“