Wahl-Analyse Tönisvorst: Die Grünen jubeln und Dirk Louy spricht von „heftigem Denkzettel“ für die CDU
Tönisvorst · Das sagen die Gewinner und die Verlierer nach der Wahl in Tönisvorst.
Die ersten Zeilen der Wahlnachlese gehören den Siegern. „Wir sind ganz überwältigt von dem tollen Ergebnis: Wir haben eine 2 vor dem Komma (20,3 %) und sind mit 10 statt 4 Sitzen im neuen Stadtrat.“ So jubeln die Grünen in Tönisvorst.
Ihre 50 Mitglieder und ihre Anhängerschaft haben sich am Morgen nach der Stimmenauszählung garantiert noch einmal die Augen gerieben – einmal, weil sie ausgiebig ihren Wahlerfolg feierten. Zum anderen, weil sie sich der Verdopplung ihrer Prozente und des Plus’ von weiteren sechs Vertretern im neuen, deutlich größeren Stadrat noch einmal vergewissern mussten.
„Mit dem Ergebnis haben wir nicht gerechnet“, sagt Grünen-Sprecher Jürgen Cox. 15 bis 18 Prozent, damit habe man vor dem Wahlsonntag geliebäugelt. „Aber über 20 – das ist so klasse!“ Das sei gelungen, wie Cox sagt, „mit unserer relativ kleinen Tönisvorster Truppe, die sehr viel auf die Beine gestellt hat“.
Erfolg mit neuen Mitgliedern, Weiblichkeit und Kompetenz
Gründe für den Erfolg der Partei gebe es viele: Die neuen Mitglieder, die sich alle aktiv einbringen. Die neue Weiblichkeit der Grünen. Und die glaubwürdige Kompetenz in den Themen Klimaschutz und Digitalisierung.
Britta Rohr wird nun als Grüne zum ersten Mal in den Tönisvorster Stadtrat einziehen. Über das Ergebis der Partei ist sie „total glücklich. Es ist eine Gemeinschaftsproduktion, alle haben gute Ideen eingebracht“. Viele Erstwähler, junge Leute, hätten zum Ergebnis beigetragen.
Nun also zehn Sitze im Rat. Dazu sagt Britta Rohr: „Wir sind sehr gut aufgestellt und werden die Plätze mit vollem Elan antreten. Wir wollen der Erwartung der Bürger in uns gerecht werden.“ Viele seien mit der aktuellen Politik in der Stadt nicht zufrieden. Das zeige auch das Ergebnis des vor den Grünen mitaufgestellten Goßen-Herausforderers Uwe Leuchtenberg. Rohr: „Der Wunsch nach Veränderung ist da. Ich hoffe, dass er sich bis zur Stichwahl hält.“
Das Sahnehäubchen für die Grünen wäre gewesen, sagt Jürgen Cox, „wenn wir zweitstärkste Partei geworden wären“. Doch die SPD liegt mit 22,63 Prozent und elf Sitzen noch knapp vor ihnen.
Konstituierende Sitzung des neuen Rats im November
Blicken wir voraus auf den neuen Stadtrat, der am 19. November zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommt und bald darauf zukunftsweisende Entscheidungen etwa zum Standort und Zuschnitt des neuen zentralen Verwaltungssitzes treffen muss. Das Gremium wird um zehn Sitze von 38 auf 48 Sitze plus Bürgermeister aufgestockt werden.
Die Christdemokraten bleiben im Stadtparlament die stärkste politische Kraft. Sie holten wieder 17 von 19 Direktmandaten. „Das ist ein gutes Zeichen, durchaus sehr positiv“, kommentiert Parteichef Dirk Louy. Damit ist des Guten über die Ergebnisse aber wohl genug gesagt. Denn die CDU Tönisvorst musste einen satten Stimmenverlust verkraften. Minus 8,6 Prozent.
Es werde nun ein anderes Kräfteverhältnis im neuen Rat geben, sagt Louy, das mache die Arbeit nicht leichter. Die neue Troika aus SPD, Grünen und GUT werde den Gestaltungsspielraum der Christdemokraten einengen. Louy fragt sich bereits, ob künftig noch jemand auf Haushalt und Ausgabendisziplin achte „zwischen einem Wünsch-dir-was und dem, was bezahlbar ist“.
Für die Grünen freue er sich. „Das ist ein sehr sympathisches Team mit vielen jungen Leuten am Start. Sie sind die absoluten Wahlgewinner.“
CDU will kein mediales Tamtam, sondern auf Inhalt esetzen
Die Ergebnisse für seine Partei und den eigenen Bürgermeister-Kandidaten Thomas Goßen wertet Louy als „heftigen Denkzettel der Wähler, den ich verstanden habe“. Ob es ein Fehler war, dass Partei und Kandidat weniger stark auf soziale Medien gesetzt haben als die Stimmen sammelnde Konkurrenz, will Louy noch analysieren. Aber, sagt er auch, „wir wollen kein mediales Tamtam, sondern mit unseren Inhalten überzeugen“. An der direkten Kommunikation müsse man weiter arbeiten.
UWT feiert die Kraft der Unabhängigkeit und das Team
Mehr Grund zum Feiern hat die Unabhängige Wählergemeinschaft, auch wenn sie nur die Hälfte der von ihrem Bürgermeister-Kandidaten Michael Lambertz prognostizierten 20 Prozent bei der Stadtratswahl geholt hat. Die UWT feiert ihre Teamleistung. „Es war so eine bunte und so vielfältige Wahlkampfzeit. Und wenn wir auch nur eine kleine Wählergemeinschaft sind, haben wir mit unserer Mannschaft so unfassbar viel auf die Beine gestellt, dass wir alle oft staunend davor standen“, dokumentieren sie auf Facebook. Antrieb war der Wille zum Wandel in der Stadt. Michael Lambertz wird ihr neuer Fraktionsvorsitzender werden. Eine Parteinahme für einen der beiden Bürgermeister-Kandidaten im Rennen wird man von der UWT nicht bekommen. Credo: unabhängig bleiben. Die Haltung der UWT mit künftig fünf Ratssitzen wird das neue Kräfteverhältnis in Tönisvorst beeinflussen können.
Tönisvorster SPD holt zweitstärkstes Ergebnis im Kreis
Darauf macht Helge Schwarz, SPD-Chef, in seiner Analyse für die Sozialdemokraten aufmerksam. Das Dreierbündnis aus SPD, Grünen und GUT, das so gut bei der Kandidatenaufstellung für das Bürgermeisteramt funktioniert hat, komme gemeinsam auf 24 Sitze. „Genauso viele kommen bei CDU, FDP und UWT zusammen. Da kann und wird die Stimme des Bürgermeisters entscheidend.“
Schwarz sieht viel Positives im Wahlergebnis, auch wenn die sechs verlorenen Prozentpunkte leider im Landestrend lägen. Die Tönisvorster SPD habe das zweitbeste Ergebnis im Kreis geholt. 16, 18 Prozent in Willich oder Kempen seien bitter für die Sozialdemokratie im Kreis.
Ein Kompliment macht Schwarz Parteigenosse und Spitzenkandidat Uwe Leuchtenberg, der neben seiner Tochter Alina die zwei noch verbleibenden Direktmandate für die SPD geholt hat. Seinem Erfolg in der Stichwahl gelte nun in den nächsten zwei Wochen „die massive Kraft der Partei“ und des Bündnisses.
Die ganze Stadt für Leuchtenberg im Blick hat auch die GUT. Sie packt nach dem bitteren Ergebnis 2014 wieder Prozente drauf. GUT feiert die Spitzenkandidaten Michael Schütte, Philipp Janßen und Aleksander Weger, die für die Gemeinschaft „zwei Mal das Spitzenergebnis in Vorst und einmal das Spitzenergebnis in St. Tönis abgeräumt haben“.
Um die FDP blieb’s ruhig. Eine Anfrage der WZ zur Wahlanalyse wurde bis zum Redaktionsschluss am Abend nicht beantwortet.