Willich: Einheimische bei Grundstücksvergabe bevorzugt
Baugrund: Durch den Willicher Punktekatalog erzielen Ortsansässige einen Vorsprung, der für Kaufinteressenten von außerhalb kaum noch aufgeholt werden kann.
Willich. Wenn man sich in Willich für Baugrund interessiert, wird man seit Jahren anhand eines Punktekatalogs klassifiziert. Wer etwa im Stadtgebiet erwerbstätig ist, erhält sieben Punkte, Willicher Bürger bekommen acht Punkte, einen Punkt gibt es für jedes Kind. Und ist der Bau eines umweltfreundlichen, weil energieeffizienten Passivhauses geplant, gibt’s nochmal einen Punkt.
Dieses Verfahren macht in den Augen der Stadtverwaltung Bewerber auf einigermaßen neutrale und transparente Weise miteinander vergleichbar. Dass Kaufinteressenten überhaupt zu Bewerbern werden, liegt an der starken Nachfrage, die das Angebot oft übersteigt.
Kritiker würden dieses Vorgehen bei der Grundstücksvergabe allerdings als Übervorteilung Willicher Bürger bezeichnen, denn die Ortsansässigkeit an sich bringt schon einen dicken Batzen Punkte und damit einen ordentlichen Vorsprung vor Interessenten aus dem Umland. "Eine Abwägung ist schwer", sagt Alexander Wiech, Sprecher von Haus und Grund. "Potenzielle Käufer werden dadurch aber unter Umständen ungleich behandelt." Allerdings räumt er ein: "Ein solches Vorgehen stärkt aber auch vorhandene Stadt- und Gemeindestrukturen." Daran habe wohl jede Kommune Interesse.
Trotz solcher und ähnlicher Argumente, mit denen auch Willich den Punktekatalog rechtfertigt, beschäftigen ähnliche Fälle in anderen deutschen Städten derzeit sogar die EU-Kommission: Sie kritisiert, dass manche Gemeinden Regelungen treffen, durch die ortsansässige Bürger bevorzugt würden - allerdings in diesen Fällen konkret durch verbilligte Grundstückspreise, die meist weit unter den Preisen liegen, die auswärtige Interessenten zu zahlen hätten.
Dies verstoße gegen die im EU-Vertrag festgeschriebenen Grundfreiheiten. Soll heißen: Jede Beschränkung der freien Niederlassung ist nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verboten. Höhere Preise für nicht Ortsansässige wären dann ein Fall von Diskriminierung. Wie steht es aber vor diesem Hintergrund um das Willicher Modell?
"Die EU ist nicht an uns herangetreten", sagt Martina Stall, Technische Beigeordnete der Stadt. Und: "In Willich gibt es ausdrücklichkeine Kaufpreisreduzierungen für Einheimische." Irgendwiemüsse die Stadtverwaltung ja eine Auswahl treffen, wenn es beispielsweise mehrere Interessenten für ein Grundstück gebe. Aus diesem Grund habe der Stadtrat den Punktekatalog verabschiedet.
Ein Losverfahren könnte den Heimvorteil Willicher Bürger indes ausgleichen und Bewerbern von auswärts gleiche Chancen verschaffen. Darüber habe man aber noch nie nachgedacht: "Zuerst sollte die Stadt etwas für ihre eigenen Bürger tun", sagt Stall. Insgesamt sei eine breite Akzeptanz dieses Punktesystems bei den Grundstücksbewerbern festzustellen, hieß es in der entsprechenden Ratssitzungsvorlage im März 2005. Ob diese Akzeptanz auch bei Interessenten von außerhalb so breit ist, bleibt zumindest fraglich.