NRW Medikamente als Herzensangelegenheit
Tönisvorst · Ziad el-Ali verlor einen seiner Brüder, weil er im Libanon nicht medizinisch behandelt werden konnte. Nun will der 26-Jährige aus St. Tönis Familie und Bekannten dort helfen — privat bringt er Medikamente in den Mittelmeerstaat.
Das Auswärtige Amt ist klar und deutlich in seiner Aussage: Die Lage im Libanon ist aufgrund der andauernden Finanz- und Wirtschaftskrise angespannt. Es kann zu Versorgungsengpässen kommen, insbesondere bei Benzin, Diesel und Strom sowie bei einigen Medikamenten. An Tankstellen bilden sich lange Warteschlangen, bei der Ausgabe von Benzin kommt es stellenweise zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Corona-Pandemie verschärft die Lage in dem Mittelmeerstaat zudem weiter. Fazit: Das Auswärtige Amt warnt vor einem Aufenthalt im Libanon und rät von touristischen, nicht notwendigen Reisen dorthin ab. So ist es auf der Internetseite nachzulesen. Ziad el-Alis Reise in den Libanon, die er am 3. September gemeinsam mit seiner Frau Selen Kurt und seinem Vater Kheir el-Ali antreten wird, ist nicht touristisch, aber in seinen Augen dringend notwendig. Er wird privat Medikamente im Wert von mindestens 450 Euro in den Libanon bringen.
Ziad el-Ali ist 26 Jahre alt und wurde in Krefeld geboren. Der junge Mann lebt, seit er fünf Jahre alt war, in St. Tönis. Allerdings mit einer Ausnahme: Zwischen 2008 und 2010 war sein Wohnsitz gemeinsam mit seiner Familie der Libanon. Dort liegen seine Wurzeln. Die Eltern hatten 1989 das Land, das an Syrien und Israel grenzt, verlassen. Bis heute leben zahlreiche Verwandte von Ziad el-Ali dort. Die zwei Jahre im Libanon sollten Ziad und seinen Geschwistern zeigen, wo sie herkommen und ihnen ermöglichen, die arabische Sprache zu erlernen.
Ziad el-Ali bezeichnet sich selbst als einen sehr empathischen Menschen. Er verfolgt die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage im Libanon genau. Mit großer Sorge beobachtet auch etwa der ökumenische „Kirchenrat des Nahen Ostens“ die anhaltende Krise im Libanon. Das „überwältigende Chaos“ werde immer schlimmer, es drohe ein „völliger Zerfall von Gesellschaft und Land“. „Tag für Tag sterben Menschen, es fehlt an Geld, an Medikamenten, an Lebensmitteln, die hygienischen Konditionen sind schlecht“, beschreibt der St. Töniser die Lage im Libanon. „Es gibt ständig Stromausfälle, dann muss der Generator laufen, der wird über Benzin betrieben, aber auch die Treibstoffe fehlen.“
Die Stromausfälle betreffen private Haushalte, aber auch die Krankenhäuser, weiß Ziad el-Ali. Darum müssten sie den Betrieb reduzieren. Und wenn dazu auch noch Medikamente fehlen, nützen auch Devisen nichts – das hat Ziad el-Ali mit seiner Familie auf tragische Weise selbst erfahren: Einer seiner Brüder bekam damals hohes Fieber und starb, weil er aufgrund der Situation in dem Land nicht behandelt werden konnte.
Jetzt Medikamente zu seinen Verwandten und deren Freunde zu bringen, ist also ein zutiefst persönliches Anliegen von Ziad el-Ali. Er startete einen Aufruf via Whatsapp an Geschwister und Freunde, die diesen wiederum weiterleiteten. Innerhalb von zwei Wochen kamen 450 Euro zusammen. Zaid el-Ali war vollkommen überrascht von dem positiven Zuspruch. „Meine Freunde vertrauen mir“, sagt er.
Dennoch: Er erklärt allen genau, was er kauft, er bewahrt alle Belege auf, um nachweisen zu können, was er mit dem Geld gemacht hat. Familie und Freunde aus dem Libanon schickten ihm die Informationen über die am dringendsten benötigten Medikamente: Bluthochdruck senkende Mittel, Mittel gegen Asthma, gegen zu viel Magensäure, Medikamente gegen Schilddrüsenfehlfunktion, dazu Vitamintabletten und Schmerzmittel.
Ziad el-Ali wandte sich an seinen Hausarzt und schilderte ihm sein Anliegen. Daraufhin stellte dieser ihm Privatrezepte für die von el-Alis Familie im Libanon benötigten Medikamente aus. „Ohne seine Hilfe hätte ich das nicht hinbekommen, ich bin ihm sehr dankbar“, sagt der 26-Jährige.
Für den Fall, dass bei der Reise am Zoll nachgefragt wird: Zaid el-Ali hat eine Namensliste der Empfänger im Libanon angefertigt, hat die Rezepte aufbewahrt. So will er genau nachweisen, woher die Medikamente stammen und für wen sie gedacht sind.