Messe Düsseldorf In der Messe-Belegschaft brodelt es
Düsseldorf · Boni für die Vorstände trotz riesiger Verluste, die geplante Auslagerung und eine Mitarbeiterflucht – der Vorstand um Wolfram Diener muss sich mit massivem Protest auseinandersetzen.
Hohe Verluste, die geplante Auslagerung einer Abteilung mit 60 Mitarbeitern, Nullrunden für die Belegschaft, Boni für den Vorstand – und eine massive Mitarbeiterflucht: Bei der Messe, eigentlich ein Düsseldorfer Vorzeige-Unternehmen, brennt atmosphärisch der Baum. Das verdeutlichte die jüngste Betriebsversammlung: „Hätte die nicht nur digital stattgefunden, wären wohl Eier geflogen.“ So fasst ein langjähriger Mitarbeiter der Messe aus dem mittleren Management die Stimmung in der Belegschaft zusammen. Auch andere erfahrene Messeleute und Politiker aus dem Aufsichtsrat bestätigen gegenüber der WZ die schlechte Stimmung an der Stockumer Kirchstraße. Die manifestiert sich allein schon in dem unserer Redaktion vorliegenden internen Protokoll der Betriebsversammlung.
„Im Katastrophenjahr kann man sich keine Prämien zahlen lassen“
Steine des Anstoßes gibt es mehrere. Besonders treibt den Betriebsrat und viele Mitarbeiter (wie bereits berichtet) die von der Geschäftsführung zur Senkung von fixen Personalkosten geplante Auslagerung der Bereiche Post, Versand und Veranstaltungstechnik in eine neue Tochtergesellschaft um. Etwa 60 Mitarbeiter sind davon betroffen. Die Messe soll noch 24,9 Prozent der Anteile daran behalten, 75,1 Prozent sollen an die Firma Wisag gehen. Messechef Wolfram Diener und Finanz-Vorstand Bernhard Stempfle bemühten sich, die Sorgen um den Verlust von Arbeitsplätzen zu zerstreuen, der neue Partner sei der Messe wohlbekannt, habe hohe Sozialstandards. Zudem könnten alle Kollegen auch weiterhin auf dem Messegelände arbeiten. Der Betriebsrat dagegen befürchtet einen Verlust an Servicequalität und sieht darin nur den Startschuss für die Auslagerung anderer Bereiche des Messegeschäftes, was der Vorstand indes dementiert.
Dass die Aufsichtsbehörden den Deal genehmigen, ist keineswegs sicher. Insider mutmaßen, dass die Messe der Wisag ihr Anlagevermögen zum Dumpingpreis übertragen könnte, Diener spricht gegenüber der WZ davon, man wolle den aktuell gültigen Zeitwert zugrunde legen. Und dann räumt er ein: „Für Werkstätten und Büros werden keine Mieten verlangt, weil wir diese ansonsten über die Einkaufspreise der Leistungen dem Tochterunternehmen wieder bezahlen müssten.“
Wut und Ärger wurden aber vor allem laut, als es ums Geld ging. Um Boni. Kritiker beklagten, dass sich ein Großteil der Belegschaft mit Nullrunden und Kurzarbeit habe arrangieren müssen und dass Auszubildende nicht mehr übernommen worden seien. In den Führungsetagen dagegen habe man sich trotz der immensen Verluste reichlich „Tantiemen“ genehmigt. Tatsächlich weist der Bundesanzeiger auch für das Krisenjahr 2020 variable Jahresvergütungen aus.
Bei Diener, der erst am 1. Juli 2020 seinen Posten als Vorsitzender der Geschäftsführung antrat, betrugen sie gut 95 000 Euro; bei Bernhard Stempfle 81 000, bei Erhard Wienkamp gut 67 000 Euro. Auch Maria Kofidou, die Geschäftsführerin von Düsseldorf Congress (die zu je 50 Prozent der Messe und der Stadt gehört) wurde wegen Tantiemen-Zahlungen bei gleichzeitigem Sparkurs beim Personal insgesamt angegriffen. Zitat laut Protokoll der Versammlung: „Die Zahlung von Tantiemen bei Messe und Congress halten wir für ethisch-moralisch verwerflich. Im absoluten Katastrophenjahr kann man sich doch keine Erfolgsprämie auszahlen lassen. Statt 120 Millionen Euro Gewinn kamen wir auf einen Verlust von 43,5 Millionen Euro – von Zielerreichung kann man da sicher nicht sprechen.“
Bei der Betriebsversammlung schlug Messechef Wolfram Diener daraufhin wütend zurück und warf dem Betriebsrat vor „im „Wahlkampfmodus“ zu agieren, da in dem Gremium bald Neuwahlen anstehen. In einer späteren Mail des Vorstands an alle Mitarbeiter heißt es dazu entschuldigend: „Am 29. November haben wir falsch reagiert.“ Auf Anfrage verteidigt Diener die Tantiemen damit, dass es in Düsseldorf deutlich besser als vielen anderen Messegesellschaften gelungen sei, dem fast kompletten Wegfall des Geschäfts zu begegnen, „wodurch die Verlustsituation vergleichsweise moderat gehalten werden konnte“.
Und: „Wir haben vorgeschlagen, dass Geschäftsführung und Prokuristen für 2020 auf einen Teil ihrer möglichen Tantieme freiwillig verzichten, was einem Rückgang der Gesamtjahresvergütung von rund 15 Prozent entsprach. Diesen Vorschlag ließ der Aufsichtsrat rechtlich überprüfen und hat ihn bestätigt“, so Diener. Zugleich habe man auch jetzt Weihnachtsgeld gezahlt, zudem soll es für alle unbefristet angestellten Mitarbeiter eine ‚Einmalzahlung von 350 Euro geben.
Intern werden jeden Tag neue Stellen ausgeschrieben
Das freilich kann den Weggang von qualifizierten Mitarbeitern nicht stoppen. Intern werden jeden Tag neue Stellen bei der Messe ausgeschrieben, weil vor allem junge Kräfte von sich aus kündigen. Auch im Zuge von Abwerbungen, so sollen zum Beispiel Discounterketten bei der Messe gewildert haben. Beklagt werden vor allem stagnierende Einkommen, eine schlechte Arbeitsatmosphäre und fehlende Perspektiven für das Messegeschäft. Der Vorstand leugnet dieses Problem nicht, es betreffe aber die Wirtschaft insgesamt, weil die jüngere Generation heutzutage zunehmend kürzer bei einem Arbeitgeber bleibe und schneller wechsele. Die Messe Düsseldorf könne jedenfalls ein attraktives Unternehmen für die Belegschaft und für neue Bewerber bleiben.
An die lange gerühmte Unternehmenskultur freilich glauben viele Kollegen offenbar nicht mehr. Bei der Betriebsversammlung fasste einer das so zusammen: „Teamgeist, totale Einsatzbereitschaft, Kreativität, das hat die Messe seit Nowea-Tagen ausgemacht. Heute gibt es Fremdschämen, einen Selbstbedienungsladen und Abwanderungsgelüste.“