Mensch & Stadt Metzkausen fasziniert immer noch
Metzkausen. · Wegen der günstigen Grundstücke kamen nach dem Zweiten Weltkrieg viele Menschen nach Metzkausen. Margot und Adolf Pulst erinnern sich zurück.
Es ist Herbst, als Adolf und Margot Pulst zum ersten Mal herkommen. Das junge Paar schaut sich um und sieht: Hügelige Landschaft, viel freie Ackerfläche. „Und es war windig.“ Adolf Pulst kann den Tag noch genau beschreiben. Das kleine Metzkausen, das in den kommenden Jahrzehnten noch rasant wachsen wird, liegt im Jahr 1957 recht unscheinbar da. Doch die Grundstücke sind günstig und das Paar dringend auf der Suche nach Wohnraum. Sie bleiben.
63 Jahre sind seitdem vergangen, und immer noch lebt das Ehepaar Pulst in dem roten Haus mit dem Gemüsegarten. Eine Tochter und einen Sohn haben sie hier großgezogen, ganz in der Nähe der damaligen evangelischen Kirche am Hügel. Ihre Tochter Edda war das erste Kind, das in der neuen Kirche getauft wurde. Als Familie habe man sich immer gut aufgehoben gefühlt in Metzkausen, erinnert sich Margot Pulst glücklich. „Man kennt sich und man hilft sich gegenseitig. Das ist hier wie ein Familienunternehmen.“
Viele Siedler waren Geflüchtete aus den Ostgebieten
Viele der jungen Familien, die parallel zu den Pulsts einzogen, waren Geflüchtete aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Die Siedlergemeinschaft Metzkausen ermöglichte ihnen, für 500 D-Mark Eigenkapital und einen Quadratmeterpreis von 52 Pfennig Grundstücke zu erwerben. „Dafür musste man eben auch viel selbst anpacken“, erinnert sich Adolf Pulst. Bereits 1948 wurde die Siedlergemeinschaft, die offiziell „Gemeinschaft Metzkausen des Verbandes Wohneigentum“ genannt wurde, gegründet. Bis 1975 entstanden mehr als 100 Häuser. Das Ehepaar Pulst kam im dritten Bauabschnitt dazu; allein 1957 wurden in Metzkausen zwölf Häuser gebaut. Adolf Pulst wurde Vorsitzender der Siedlergemeinschaft, ein Amt, das er 40 Jahre lang bekleidete und mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet wurde.
Das Gemeinschaftsgefühl sei in den ersten Jahren besonders groß gewesen. „Wir gehörten alle zusammen.“ Die Eheleute berichten von Umzügen durchs Dorf, mit Musik und allerhand Attraktionen. „Da waren auch Hühner und Kaninchen, die im Bollerwagen gefahren wurden, damit die Kinder was zu Gucken hatten.“ Feste wurden gefeiert, die Hasseler Kirmes gemeinsam besucht. Die Metzkausener engagierten sich auch für ernste Themen. So setzte sich in den 50er Jahren bereits eine Bürgerinitiative für den öffentlichen Zugang zum Kriegerdenkmal Wilhelmshöhe ein. Daraus entwickelte sich 1959 der Bürgerverein Metzkausen, die Pulsts waren von Anfang an dabei. Nach Angaben des Vereins ist Adolf Pulst heute das letzte noch lebende Gründungsmitglied.
„Man muss sagen, dass so eine Gemeinde ohne Ehrenamt auch kräftig aufgeschmissen wäre“, sagt er – und ist dem Bürgerverein noch immer eng verbunden. Als vor vier Jahren neue Bänke im Comberg-Park aufgestellt werden sollten, spendeten sie eine im Namen ihrer Kinder.
Mit nunmehr 88 und 87 Jahren ist der Alltag von Margot und Adolf Pulst etwas ruhiger geworden. An den Stammtischen des Bürgervereins nehmen sie immer noch teil, „auch wenn das ja im Moment leider nicht geht“, wie beide bedauern. Und sie freuen sich immer noch an den Martinsumzügen und Festen im Ort.
„Das Einzige, was uns mittlerweile fehlt, ist ein Lebensmittelladen“, berichten die rüstigen Senioren. Denn auch der Supermarkt an der Florastraße, seit 2017 geschlossen, war ein Treffpunkt für die alten Metzkausener – zum Schnacken und Austauschen über neue Ideen.