Stadtentwicklung Siedler bauten neue Viertel am Stadtrand
Wuppertal · Vor allem in der Nachkriegszeit entstanden einige Siedlungen, bei denen die Bewohner ihre Häuser mitbauten.
Weil Siegfried Wirtz das beim Barmer Angriff beschädigte Haus der Familie wieder aufbauen sollte, schickte ihn sein Vater in eine Maurerlehre. Dabei hatte der Junge andere Pläne. Aber die guten Grundlagen haben dem späteren Architekten viel genutzt, unter anderem bei der Aufsicht über die Bauarbeiten in den Siedlungen Laaken und Kinderbusch in Vohwinkel.
50 Jahre ist es her, dass am Kinderbusch der Grundstein gelegt wurde, in Laaken 51 Jahre. Viele Siedler haben beim Bau ihrer Häuser gemeinsam Hand mit angelegt - „organisierte Guppenselbsthilfe“ hieß das. Das ermöglichte jungen Familien mit wenig Geld, ein eigenes Haus zu bauen und sich auch selbst zu versorgen. Lange waren Nutzpflanzen in den Gärten und die Haltung von Tieren wie Hühnern oder Kaninchen Pflicht. 26 solcher Siedlungen habe es in Wuppertal gegeben, sagt Siegfried Wirtz.
Er ist in der Siedlung Konradshöhe aufgewachsen, die 1938/39 für kinderreiche Familien entstand. Zwar haben hier die Bewohner nicht beim Bau geholfen, trotzdem entstand ein enger Zusammenhalt, der für viele Siedlungen typisch ist. Deshalb hat er sie auch nicht verlassen, sondern mit seiner Frau Christa Wirtz auf einem Grundstück am Rand der Siedlung selbst ein Haus gebaut. Dabei hat das Ehepaar vieles selbst gemacht.
Auch aufgrund dieser Erfahrung wurde der Architekt 1969 bei der Siedlungsgesellschaft „Das Familienheim“ engagiert. Die war 1964 gegründet worden, unter anderem von Erich Mittelsten Scheid, Chef der Firma Vorwerk, der Eigenheime für seine Mitarbeiter schaffen wollte. Er gab Bauland und mit weiteren Unternehmern Kapital. In Laaken entstanden 59 Häuser und 80 Eigentumswohnungen, in der Siedlung Kinderbusch 99 Häuser, von denen Siegfried Wirtz einige so umplante, dass die künftigen Bewohner sie auch mitbauen konnten.
Denn die waren Laien: „Vom Lehrer bis zum Busfahrer war alles dabei“, berichtet der Architekt. Fachleute hätten die Bewohner angeleitet, die nach ihrer eigentlichen Arbeit auf der Baustelle mauerten und verputzen, Beton gossen und Leitungen verlegten. Bei den anschließenden Baubesprechungen habe er oft die Gemüter beruhigen müssen, erinnert sich Siegfried Wirtz. „Das brauchte Geschick.“ Er selbst sei dann erst gegen Mitternacht nach Hause gekommen.
Die gemeinsame Bauzeit schweißte die Bewohner zusammen, daran erinnert sich auch Helmut Fißeler (80) Er half in Laaken zwar nicht beim Bau, aber beim Innenausbau seines Hauses: „Wir waren eine sehr enge Gemeinschaft.“ Die Kinder spielten zusammen, es wurden Sommerfeste und Silvester gemeinsam gefeiert. Auch wenn inzwischen viele neue Nachbarn in den anderen Häusern wohnen, sind Helmut Fißeler und seine Frau Ilse bis heute so glücklich in ihrem Haus direkt am Wald, dass sie so lange wie möglich wohnen bleiben wollen.
Den Zusammenhalt pflegen bis heute viele Siedlungen. Henrike Malangeri, Vorsitzende der Siedlergemeinschaft Bremkamp, berichtet von zahlreichen Aktivitäten vom gemeinsamen Säubern des Spielplatzes über Vortragsabende bis zum Siedlungsfest. In den 310 Häusern gebe es heute eine gute Mischung älterer und jüngerer Bewohner: „Wir sind eine große Gemeinschaft.“
Die ab 1939 erbaute Siedlung Bremkamp gehört zu den ältesten der Stadt, viele seien nach dem Krieg entstanden – „wegen der Wohnungsnot“, erklärt Lutz Kosanke, Kreisvorsitzender des Verbands Wohneigentum, einst Siedlerbund. Er wohnt seit seiner Kindheit in der Siedlung Wilhelmring, die wie viele am Rand des bisherigen Siedlungsbereichs der Stadt gebaut wurde. Auch deshalb war der Zusammenhalt wichtig: „Hier passt man aufeinander auf.“ Er freut sich, dass sich inzwischen auch junge Familien in der Siedlergemeinschaft engagieren. Unter anderem hat eine Initiative beim Bürgerbudget Geld für den Spielplatz der Siedlung gewonnen.
Siegfried Wirtz sagt über „seine“ Siedlungen: „Ich treffe heute noch Menschen, die dankbar sind, dass sie sich damals bewerben durften.“