Auswirkungen Coronavirus in Mönchengladbach: Veranstaltungen auf dem Prüfstand
Mönchengladbach · Geisterspiele, Rockkonzerte, Kabarettaufführungen: Die Stadt Mönchengladbach will am Dienstag eine Linie für Großveranstaltungen im Zeichen des Coronavirus vorlegen.
Fußball-Deutschland blickt am heutigen Dienstag nach Mönchengladbach und erwartet die Entscheidung aus dem Rathaus, ob es am Mittwoch ein Geisterspiel geben wird. Die Entscheidung darüber sei am Montag noch nicht gefallen, versicherte Stadtsprecher Wolfgang Speen. Der Druck auf das Rathaus wuchs aber nach der Entscheidung, das Spiel gegen Dortmund trotz der Nähe zum am stärksten von Coronavirus-Infektionen betroffenen Kreis Heinsberg stattfinden zu lassen. Es geht aber nicht nur um Bundesligaspiele, sondern alle Veranstaltungen mit mehr als 999 Teilnehmern. „Wir prüfen jetzt für alle Veranstaltungen, wie wir mit der Empfehlung des Bundes umgehen“, sagte Speen. „Es muss eine Regelung für alle getroffen werden.“
Die Zahl der nachgewiesenen Corona-Fälle in Mönchengladbach ist bis Montagmorgen nicht weiter gestiegen. Sieben Menschen sind mit dem Virus infiziert, 163 Personen befinden sich in häuslicher Quarantäne. Zwei Tests sind zur Abklärung im Labor, 124 Tests hatten ein negatives Ergebnis. Dennoch hatte etwa Wetter-Moderator Jörg Kachelmann in der Nacht zu Montag seinen mehr als 140 000 Followern via Twitter in drastischen Worten verkündet, was er von der Entscheidung der Stadt und des Landes hielt: „Wie es kommt, dass dumme PolitikerInnen in Mönchengladbach vor Publikum spielen ließen, weil ebenso der Bescheuerung anheimgefallene WählerInnen denken, das man persönlich im Stadion sein muss, um als Konsequenz aus der Politikerdummheit angesteckt zu werden.“
Die Frage ist, was mit einem Ausschluss des Publikums am Ende gewonnen wird. Fans werden sich das Spiel woanders anschauen, und da die meisten vermutlich kein Bezahl-Abo des einzigen übertragenden Senders Sky haben, könnten sie sich in Kneipen in großer Gemeinschaft das Spiel anschauen. Stadtsprecher Speen sagte dazu, die besondere Situation mit dem Spiel erfordere auch da eine besondere Betrachtung.
Der Mönchengladbacher CDU-Landtagsabgeordnete Jochen Klenner schlägt deshalb eine Übertragung im frei empfangbaren Fernsehen vor: „Das Ziel des Gesundheitsschutzes funktioniert sicher nicht, wenn es überall jetzt Public Viewing mit 999 Fans und große Treffen in den Fankneipen gibt.“ Klenner schlug vor, das Spiel im Free-TV zu zeigen, was Sky am Montag aber zunächst ausschloss.
Auch wenn die Begegnung vor leeren Rängen ausgetragen werden sollte, „einen polizeilichen Einsatz wird es geben“, sagt Polizeisprecher Wolfgang Röthgens. Mittlerweile gibt es eine Facebook-Gruppe „Derby Support Biergarten Nordkurve“, in der dazu aufgefordert wird, möglichst zahlreich zum Borussia-Park zu kommen. Auch bei der Polizei ist bekannt, „dass die Problemfan-Szene gerade sehr aktiv ist“, so Röthgens. „Wir haben das im Blick und stehen in engem Kontakt mit den szenekundigen Beamten in Köln“, sagt er. Bereichsbetretungsverbote für gewaltbereite Fans seien bereits ausgesprochen und nach wie vor gültig. Auch ein Glasverbot ist laut Auskunft der Stadt erlassen und könne auch bei einem Geisterspiel bestehen bleiben.
Die Polizei hat einen flexiblen Einsatzplan fertiggestellt. Normalerweise sind bei Risikospielen oft über 1000 Beamte im Einsatz. Auch dieses Mal waren mehrere Hundertschaften auch aus anderen Polizeibehörden eingeplant. Wahrscheinlich werden es am Mittwoch weniger sein, auch die üblichen Wasserwerfer werden dieses Mal wohl eher nicht wie sonst üblich in Stadionnähe positioniert. Die Proviantpakete für die vielen Einsatzkräfte sind allerdings schon bestellt – genauso wie beim letzten Mal, als die Bundesliga-Begegnung wegen des Sturmtiefs „Sabine“ im letzten Moment abgesagt wurde. Die Mönchengladbacher Polizisten hatten die Lunchtüten daraufhin an Bedürftige in der Stadt verteilt.
Die Gastronomen in der Stadt bereiten sich auf großen Zulauf zum Derby vor, wenn es zum Publikumsausschluss kommt. „Wir gehen ganz sicher davon aus, dass dann mehr Leute kommen werden“, sagt Joannis Stilidis, Wirt in der Sportsbar „Salonika“ am Schillerplatz. „Wir haben Desinfektionsspender aufgehängt, unser Personal ist vorsichtig.“
„Bis gestern hätte ich Ihnen Brief und Siegel darauf gegeben, dass es nicht zu einem Spiel ohne Zuschauer kommt“, sagt Hauke Jakob, Inhaber des „Manamana“ in der Altstadt. Dass es bei einem Spiel ohne Zuschauer in den Bars, die das Spiel übertragen können, voll wird, da ist auch er sich sicher. „Diese Sportsbars sind während der Spiele von Borussia Mönchengladbach ohnehin gut besucht. Wir werden, wenn es dazu kommt, lediglich die Plätze für unsere Stammgäste reservieren und sonst keine Reservierungen annehmen“, erklärt Jakob.
Es sind aber nicht nur Fußballspiele, die in Gladbach mehr als 1000 Besucher anlocken. Zur im Juni beginnenden Saison im Sparkassenpark werden bei den Konzerten insgesamt auch weit mehr als 100 000 Fans etwa zu Udo Lindenberg, Aerosmith und den Toten Hosen erwartet. Veranstalter Michael Hilgers macht sich noch keine großen Sorgen um die Konzerte. Bisher laufe der Kartenvorverkauf ganz normal weiter, die Nachfrage nach Tickets sei ungebrochen. „Wir werden sehen, wie der Stand im Sommer ist. Und dann muss man auch differenzieren und sich Gedanken über die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen machen.“ Man könne nicht die Hälfte der Menschen in Deutschland lange von Veranstaltungen fernhalten. Gesundheit stehe immer an erster Stelle. „Aber bei vielen Tausend Toten im Straßenverkehr jedes Jahr kommt auch niemand auf die Idee, alle Autos verbieten zu wollen.“ Nicht bei allen Gastronomen sorgt das Virus für mehr Gäste. Hoteliers klagten über Einbußen beim Tagungsgeschäft, Restaurants bekämen Absagen bis Ende April, warnt Andreas Graf, Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Mönchengladbach. „Das betrifft viele größere Familienfeiern über Ostern bis zur Kommunion“, erklärt Graf. „Gerade zum Derby kommen auch viele überregionale Fans“, sagt der Dehoga-Vorsitzende. Das könne an so einem Tag schon mal 30 bis 40 Prozent der Belegung in Hotels ausmachen. Bei einer Entscheidung erst am Dienstag werde diese Zimmer wohl kein Hotelier mehr los.
Auch kleinere Veranstaltungen spüren die Auswirkungen. Kabarettist Hastenraths Will spielt sein aktuelles Programm „Die Welt ist ein Dorf“ am Mittwoch und Donnerstag vor jeweils 300 Besuchern im Roten Krokodil. Wer aber gesundheitliche Bedenken hat, kann das Programm an einem Zusatztermin am 16. September besuchen und seine Karte dafür umtauschen.