Angst vor Coronavirus Geisterspiele und Termin-Chaos: Was dem deutschen Sport jetzt droht

Berlin · Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus könnte nun auch für den deutschen Sport große Konsequenzen haben. Zu befürchten sind Geisterspiele und ein Termin-Chaos.

Einen Handlauf im Stadion von Borussia Mönchengladbach desinfiziert eine Reinigungskraft.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Dem deutschen Sport drohen wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus Geisterspiele und Absagen. Nach der Empfehlung von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern offensiver abzusagen, wächst auch der Druck auf die großen Profiligen des Landes.

Warum sollen auch Sport-Großveranstaltungen vorerst nicht mehr stattfinden?

Für Minister Spahn ist es das oberste Ziel, die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen. „Denn je langsamer sich das Virus verbreitet, desto besser kann unser Gesundheitssystem damit umgehen“, sagte er. Auch der Chef des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, schloss sich Spahns Empfehlung an und sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Man kann nicht Fußballspiele mit 35 000 Besuchern stattfinden lassen, als wäre nichts geschehen.“

Wie reagiert der Sport auf die Empfehlung des Gesundheitsministers?

Geschäftsführer Christian Seifert von der Deutschen Fußball Liga bat darum, einen „angemessenen Weg zu finden zwischen berechtigter Vorsorge und übertriebener Vorsicht“. Das DFL-Präsidium werde sich beraten und die Clubs der Bundesliga und 2. Liga kurzfristig zu einer Krisensitzung einladen. Einen Alleingang einzelner Clubs dürfte es nicht geben. So erwartet Handball-Bundesligist SC DHfK Leipzig eine ligaweite Lösung. Leipzigs Trainer André Haber sprach sich gegen Spiele vor leeren Rängen aus. „Handball ist ein Sport, der von Nähe lebt“, sagte er. Im Zweifel sollte man die Spiele lieber verschieben und mit Zuschauern nachholen.

Welche Maßnahmen haben die Clubs und Dachorganisationen bereits ergriffen?

Die Stars des FC Bayern München sollen auf Empfehlung der medizinischen Abteilung des Clubs wie viele andere deutsche Sportprofis bis auf Weiteres keine Autogramme mehr schreiben und auch nicht für Fotos oder Selfies mit den Fans zur Verfügung stehen. RB Leipzig verhängte Reisestopps für Spieler, Scouts und weitere Mitarbeiter. Ligen und Vereine empfahlen den Sportlern, auf den Handschlag vor und nach Spielen zu verzichten. In manchen Arenen wurden Fans zusätzliche Desinfektionsmittel angeboten. Borussia Mönchengladbach bat Fans aus dem besondern vom Virus betroffenen Kreis Heinsberg, nicht zum Topspiel gegen Borussia Dortmund zu kommen. 550 Ticketinhaber machten vom Angebot der Kaufpreis-Erstattung Gebrauch.

Wer darf Spiele mit großen Zuschauerzahlen verbieten?

Im Falle einer Gefährdung von Spielern und Zuschauern können nur die lokalen Gesundheitsbehörden eine solche Entscheidung treffen, weil dabei neben Aspekten der Infektionsvorbeugung auch solche des gesamten öffentlichen Lebens zu berücksichtigen sind. Die Dachorganisationen des Sports sind nicht berechtigt, eine Partie abzusagen, weil sie nicht als Veranstalter fungieren. „Wir werden die möglichen Risiken beachten, aber nicht gleich in Panik verfallen und das öffentliche Leben außer Kraft setzen“, sagte Manager Kaweh Niroomand von den Berlin Volleys, der auch Sprecher der Proficlubs der Hauptstadt ist.

Gibt es noch andere Möglichkeiten außer Verschiebungen oder Geisterspiele?

Handball-Bundesligist Eulen Ludwigshafen muss nach Aussage von Trainer Ben Matschke wegen des Coronavirus vor dem ausverkauften Heimspiel gegen den THW Kiel die Personalien aller Zuschauer erfassen. Das Gesundheitsamt habe entsprechende Restriktionen für das Spiel am Donnerstag erlassen. „Bevor die Zuschauer die Halle betreten, müssen wir über jeden Bescheid wissen“, sagte Matschke. Eine solche Maßnahme dürfte für die meisten Vereine nur schwer zu bewältigen sein - und könnte auch Datenschützer auf den Plan rufen.

Wie kurzfristig können Behörden oder Veranstalter eingreifen?

Das kann bis zur Öffnung der Stadion- oder Hallentore wenige Stunden vor dem Anpfiff geschehen, wie die jüngsten Beispiele gezeigt haben. Sowohl das Fußball-Bundesligaspiel zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln am 9. Februar als auch die Europa-League-Partie von Eintracht Frankfurt bei RB Salzburg am 28. Februar wurden wegen Sturmwarnungen jeweils am geplanten Spieltag abgesagt.

Was würden Absagen und Verlegungen mit Blick auf die Spielpläne bedeuten?

Es würde ein Terminchaos drohen, denn Ausweichtermine sind in der Schlussphase einer Saison rar. Im Fußball würde es besonders eng werden, wenn Vereine beteiligt wären, die noch im DFB-Pokal und den Europapokal-Wettbewerben mitmischen. Das sind Bayern München in der Champions League und Bayer Leverkusen sowie Eintracht Frankfurt in der Europa League. Die DFL hat bereits betont, die Saison wie geplant bis Mitte Mai zu Ende bringen zu wollen. Aber auch im Eishockey, wo in dieser Woche die Playoffs beginnen, und in den anderen großen Ballsportarten sind die Spielpläne dicht gedrängt.

Falls es Geisterspiele gibt - wer darf dabei sein?

Zuerst: Auch ein Spiel ohne Zuschauer kann nur von den lokalen Gesundheitsbehörden angeordnet werden. Eine solche Entscheidung würde den gastgebenden Verein praktisch das Heimrecht kosten und diesen zugleich um Einnahmen aus dem Ticketverkauf bringen. Sollte es dazu kommen, würden neben den beteiligten Mannschaften noch Betreuer, Ballkinder, Arena-Personal und Journalisten dabei sein.

Wer entschädigt die Fans?

Solche Forderungen müssten sich an die betroffenen Vereine als Veranstalter der Spiele richten. So hat sich Borussia Dortmund gegen mögliche Spielabsagen mit einer Ausfallversicherung abgesichert - und dürfte damit im Profifußball nicht allein sein.

(dpa)