Die zweite Chance erfolgreich genutzt
Neslihan Emre hat ein Werkstattjahr im Bildungszentrum des Tüv Nord gemacht.
Mönchengladbach. Die Abschlussprüfungen sind geschrieben, Hausaufgaben gibt es schon seit einigen Tagen nicht mehr. Es ist vorbei. Nach rund zehn Jahren Schule haben es die meisten Jugendlichen geschafft, sie haben ihren Schulabschluss in der Tasche. Doch der nun wegfallende Schulstress macht neuem Druck und einer wichtigen Frage Platz: Was nun? Ausbildung, Abitur, Auslandsjahr oder doch ein Praktikum?
Neslihan Emre weiß, wie sich die Last dieser Unsicherheit anfühlt. In der Schule quälte sie starke Prüfungsangst, vor jeder neuen Klassenarbeit fing sie an zu zittern, Übelkeit und Magenschmerzen stellten sich ein. Ihre Noten sackten ab, Schritt für Schritt und doch stetig. ,,Ich habe mich gefragt, wozu ich überhaupt noch in die Schule gehe“, sagt Nesslihan. Schließlich brach sie die Schule ab. ,,Überall hörte ich, wie schlecht meine Chancen nun standen“, sagt die heute 20-Jährige. ,,Ohne Schulabschluss hat man heutzutage verloren, davon war auch ich überzeugt“.
Doch statt aufzugeben, blieb sie am Ball, erkundigte sich, was nun noch für sie beruflich in Frage kommen konnte. Und sie hatte Glück. Das Bildungszentrum Tüv Nord Bildung bot ihr und anderen Jugendlichen eine zweite Chance. Neben zahlreichen Ausbildungsplätzen in ganz verschie-denen Bereichen, bietet das Zentrum nun schon seit zwei Jahren das so genannte „Werkstattjahr“ an. Zurzeit nehmen zwölf Jugendliche daran teil.
,,Es ist der Übergang von der Schule in den beruflichen Lebensabschnitt“, sagt Dietmar Pau, Standortleiter in Gladbach. ,,Es ist ein Jahr der Neuorientierung und gibt die Gelegenheit, Berufe besser kennenzulernen.“ Das Werkstattjahr unterscheidet sich nicht stark von einer richtigen Ausbildung.
Sozialpädagogen, Lehrkräfte und Ausbilder sorgen aber für die optimale Weiterbildung der Jugendlichen und unterstützen sie auch bei Problemen in der Schule, die zwei Mal in der Woche stattfindet. Es ist jedoch nicht ganz so endgültig wie eine tatsächliche Ausbildungsstelle, man kann sich immer noch für einen anderen Bereich entscheiden.
,,Wie in anderen Betrieben arbeitete ich hier im Salon, konnte an Puppenköpfen richtiges Haareschneiden, Färben und mehr lernen“, sagt Nesslihan, die mittlerweile Friseurin werden will. Sie hat ihr Werkstattjahr mehr als erfolgreich hinter sich gebracht. ,,Ich habe jetzt ein Jahrespraktikum in einem Betrieb zugesichert bekommen, der eigentlich nur Leute mit Realschulabschluss in Ausbildung nimmt“, sagt Neslihan und lächelt stolz. ,,Aber meine Chefin war so begeistert von meinen bereits vorhandenen Fertigkeiten, dass sie eine Ausnahme machte.“