Abgezockt Sterbender Frau Verträge angedreht
Rheydt. · Obwohl sie bettlägerig und auf Morphium war, drehte eine Firma einer 91-Jährigen Fernseh- und Internetverträge an.
Wie der Vertreter in die Wohnung der 91-jährigen Rheydterin kam, kann sich niemand so genau erklären. Simone Wolff, die sich um die bettlägerige Frau kümmert, weiß nur dies: „Auf einem Tisch lagen plötzlich Verträge eines Telekommunikationsunternehmens und etliche Pakete.“ Als sich Wolff die Papiere ansah, erkannte sie, dass der pflegebedürftigen Frau quasi auf dem Sterbebett etliche Verträge untergejubelt worden waren: „Sie sollte plötzlich für WLAN, für Digital-TV mit Sportpaket und allem Zipp und Zapp bezahlen. Auf dem Papier war alles angekreuzt, was man ankreuzen konnte.“ Die Betreuerin war entsetzt: „Die alte Dame wurde unter Morphium gesetzt, weil es ihr nicht gut geht. Wie kann man so etwas machen?“
Wolff, die die 91-Jährige schon sehr lange kennt und die für sie die schriftlichen Dinge erledigt, suchte sofort einen Shop des entsprechenden Telekommunikationsunternehmens auf. „Ich hatte Glück, die Verträge wurden gecancelt“, berichtet sie. Dennoch will sie den Vorfall öffentlich machen. „Ich möchte, dass andere gewarnt sind, dass alle wissen, welche Methoden in der Branche angewendet werden“, sagt Wolff.
Den Verbraucherschützern
ist das Problem nicht neu
In der Verbraucherberatungsstelle Mönchengladbach kennt man das Problem mit diesen „übermotivierten Vertriebsmitarbeitern, die vor allem ihre Provisionen sehen“. Verbraucherberaterin Edda Nowak weiß von vielen Beschwerden über Telekommunikationsunternehmen. In deren Namen seien oft Drückerkolonnen unterwegs, die sich gerne wehrlose Opfer aussuchten. So einen krassen Fall wie den von Wolff hat Nowak zwar noch nicht erlebt, aber perfide Maschen kennt sie zuhauf.
Vertriebsmitarbeiter gaukeln
vor, behördlich unterwegs zu sein
„Da wird Flüchtlingen, die noch nicht so gut Deutsch können, erklärt, dass sie nicht weiter fernsehen können, wenn sie nicht unterschreiben. Es gab auch schon Fälle, wo behauptet wurde, für das Mehrfamilienhaus sei ein Gruppen-Kabel-Vertrag abgeschlossen worden. Andere erklären, sie müssten ein Gerät überprüfen und man solle unterschreiben, um zu bestätigen, dass dies geschehen sei. Wieder andere gaukeln sogar vor, dass sie von einem Amt kommen“, berichtet Edda Nowak. Plötzlich hätten alle ungewollte und oft auch unnütze Verträge. Und oft bliebe das bei den Opfern zunächst unbemerkt.
„Es gibt schon Vertriebsmitarbeiter, die frei von jeglicher Moral sind“, klagt die Verbraucherschützerin. Aber was tun, wenn man ungewollt einen Vertrag abgeschlossen hat? Die Verbraucherschützerin verweist auf die 14-tägige Widerrufsfrist bei Haustürgeschäften. Der Widerruf sollte am besten per Einwurfeinschreiben geschickt werden. Dabei dokumentiert der Zusteller, dass die Sendung in den Briefkasten oder das Postfach des Empfängers eingeworfen wurde. Das Zustelldatum kann im Internet über die Sendungsverfolgung abgerufen werden.
Edda Nowak rät davon ab, über die Hotlines anzurufen. „Da wird man von Pontius zu Pilatus geschickt. In der Regel wird kein einziger Anruf dokumentiert, deshalb können die Betroffenen auch nichts beweisen“, sagt sie.