Obdachlose suchen Zuflucht am Supermarkt
Eine Woche lang hausten zwei Personen in einem Verschlag an einer Laderampe. Der Marktbesitzer wandte sich an das Ordnungsamt. Das sagte ihm, es sei nicht zuständig.
Ein Verschlag, gebaut aus Paletten, mit ein paar schmutzigen Decken darüber: Das war Anfang Dezember die Schlafstätte von zwei Wohnungslosen mitten in der Gladbacher Innenstadt. Sie hatten sich den Verschlag an der Laderampe hinter dem Rewe-Markt von Dirk Heynckes gebaut. Eine Woche lang schliefen sie dort — in Nächten, in denen es zum ersten Mal in diesem Winter richtig kalt war. „Es kann nicht sein, dass in unserer Stadt Menschen im Winter draußen schlafen müssen“, sagt Heynckes.
Er habe sich deshalb an das Ordnungsamt gewandt, das jedoch laut eigener Aussage nicht zuständig sei. „Stattdessen wurde mir empfohlen, mit anderen Händlern einen privaten Sicherheitsdienst zu engagieren“, sagt Heynckes, „da fühlt man sich schon allein gelassen.“ Mittlerweile sei der Verschlag allerdings verschwunden, etwa eine Woche lang habe er dort gestanden. „Und das ist nicht nur unangenehm für die Leute, die dort schlafen müssen, sondern auch für meine Mitarbeiter, die den Laden nach 22 Uhr über die Rampe verlassen“, so Heynckes.
Stadtsprecher Wolfgang Speen bestätigt die Kontaktaufnahme Heynckes’ mit dem Ordnungsamt — verweist aber gleichzeitig darauf, dass Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOS) sehr wohl eingeschritten seien. Am 2. Dezember, so Speen, seien diese vor Ort gewesen und hätten dort den Verschlag gefunden, in dem zwei Obdachlose nächtigten. „Der Verschlag und das Umfeld waren stark vermüllt und es roch nach Urin“, heißt es in der Stellungnahme.
Die KOS-Mitarbeiter hätten die offenbar bekannten Angehörigen der Trinkerszene vom Platz der Republik dann aufgefordert, den Verschlag zu räumen. „Ebenso wurden beide auf die Hilfsangebote hingewiesen.“
Dirk Heynckes, Markt-Inhaber
Bei einer Nachkontrolle am gleichen Abend sei der Verschlag dann verschwunden gewesen. Speen verweist darauf, dass der KOS regelmäßig in der Gegend kontrolliere und Gespräche mit den betreffenden Personen führe. Den Vorschlag, einen privaten Sicherheitsdienst zu engagieren, hält das Ordnungsamt aber laut Speen dennoch für sinnvoll.
Aus Sicht der Stadt funktioniert die Zusammenarbeit von KOS, Polizei und Streetworkern des Diakonischen Werks in der Betreuung der Wohnungslosen gut. Ähnlich sieht das auch Brigitte Bloschak, die beim Diakonischen Werk den Fachbereich Wohnungslosenhilfe leitet: „Das Hilfesystem in Mönchengladbach ist sehr aktiv.“ Zum Beispiel gebe es Notschlafstellen für Männer und Frauen, dazu verschiedene Tagestreffs wie die beiden Cafés Pflaster der Diakonie in Rheydt und in der Innenstadt sowie das Bruno-Lelieveld-Haus des Vereins Wohlfahrt. Dazu gebe es verschiedene Angebote von ambulant betreutem Wohnen. Und besonders im Winter seien Streetworker und Ordnungsdienst dazu angewiesen, aktiv auf die Menschen zuzugehen und sie auf das Hilfesystem und die verschiedenen Angebote hinzuweisen.
Dass manche diese Angebote nicht annehmen, kann laut Bloschak viele Gründe haben. Zum Beispiel könnten manche Menschen mit psychischen Problemen nicht mit anderen in einem Zimmer übernachten — was in der Notschlafstelle, die laut Bloschak „wie eine Jugendherberge“ aufgebaut ist, aber nötig sei. Außerdem ist es in den Schlafstellen verboten, Alkohol zu trinken, zu rauchen und Drogen zu konsumieren. „Manche der Wohnungslosen sind aber so suchtkrank, dass sie eine Nacht ohne Alkohol, Drogen oder Nikotin nicht schaffen“, sagt Bloschak. „Sie bleiben dann lieber auf der Straße, um ihrer Sucht nachzugehen, als in einer Notschlafstelle zu übernachten.“
Wie viele Menschen im Mönchengladbacher Stadtgebiet wohnungslos sind, ist nicht bekannt. Auch Schätzungen sind schwierig. „In unserer Notschlafstelle an der Jenaer Straße übernachten momentan durchschnittlich 20 Männer, Platz hätten wir für 30“, sagt Bloschak. Zudem nähmen rund 800 Männer pro Jahr die Beratung in den Tagestreffs wahr. Diese sind allerdings nicht immer wohnungslos, auch bei Fragen zum Jobcenter oder bei allgemeiner Lebensberatung helfen die Mitarbeiter weiter.