Odenkirchen: Hilfe für die Ghetto-Boys
Ein Streetworker kümmert sich um die Gang, deren Anführer einen Polizisten beinahe getötet hätte.
Mönchengladbach. Sie nennen sich Odenkirchener Ghetto-Boys (OGB) - eine aggressiv-kriminelle Gruppe. Seit ihr in Untersuchungs-Haft sitzender Anführer Roberto de S. vor zwei Monaten nach einem Einbruch in einen Odenkirchener Kaiser’s Markt einen Polizisten beinahe getötet hätte, sind die OGB mit ihren auffallenden Kapuzen-Shirts ohne Kopf.
Doch sprachlos sind sie nicht, seit sich ein neuer Streetworker um sie kümmert. "Mia Hayat leistet in der kurzen Zeit, in der er da ist, wertvolle Arbeit", sagen die Odenkirchener Polizei-Bezirksbeamten Willi Leopold und Bernd Thiel. Doch das "bürokratische Verhalten" des Stadtjugendamtes um ihren Dezernenten Michael Schmitz (CDU) gefährdet jetzt nach Angaben der Beteiligten den hoffnungsvollen Start mit dem Ziel, dass die OGB ordentliche Jungs werden.
Leopold und Thiel sind keine typischen Beamten. Sie sind da, oft spontan, unkonventionell und zu Zeiten, in denen andere das Handy ausgeschaltet haben. Als S. ihren Kollegen mit einem einzigen Fußtritt schwerst verletzte, dauerte es nicht lange, bis die zwei Beamten mit der Gang Kontakt aufnahmen. Und das, was S. anrichtete, verurteilten. "Wir haben gespürt, dass die reden wollten", sagt Thiel.
Es blieb nicht beim Reden. Mia hat mit den rund 20 Vierzehn- bis 20-Jährigen schon das Kölner Aqualand besucht. Und sie haben Weiteres vor. Eine Wohnung im Hochhaus Zur Burgmühle, die die Eigentümer kostenlos zur Verfügung stellen, soll "fester Treff" werden.
Konkret: Fußballgucken vor einem Fernseher, der gespendet wird. Gemeinsam Kochen in einer Küche, die bald eingerichtet sei. Hausaufgabenhilfen beispielsweise durch Schüler vom Nachbar-Gymnasium oder eine pensionierte Grundschullehrerin. Und Mia will die Eltern der Jungs - Mädchen machen bei den OGB nicht mit - aus ihrer Passivität herausholen. Für eine Zukunft ihrer Kinder ohne Prügelei und Diebstahl.
Doch das Jugendamt nimmt Mia, der sich zu all dem nicht äußert, an die Leine. Er dürfe nicht von der Wohnung aus arbeiten, sondern nur vom städtischen Jugendheim Villa aus. Das liegt keine 300 Meter vom Problemviertel Zur Burgmühle entfernt. Folglich sollten sich die OGB auch hier aufhalten und mit Mia zusammenarbeiten. Das aber lehnen die Ghetto-Boys strikt ab. Sie sagen, dass in der Villa nur Kinder verkehrten. Dieser "Kindergarten" sei ihnen "zu blöd und zu langweilig". An Wochenenden, wenn die Jugendlichen einen Treffpunkt brauchen, ist die Villa übrigens geschlossen. Thiel: "Das ist doch ein schlechter Witz, gerade dann müssen Räume für die jungen Leute da sein."
Mia hat mittlerweile auch Verbindung zu Sportvereinen aufgenommen. Fußball spielen gegen Gleichaltrige, das wollen die Boys ebenfalls. "Das ist genau das Richtige gegen Abhängen und Aggressionen", meint Leopold. Gerade die beiden Polizisten, aber auch Mia hoffen, dass "der Neubeginn mit den Ghetto-Boys nicht von der Stadt zerstört wird. Wir müssen zusammen, nicht gegeneinander arbeiten, schließlich gibt es schon Fortschritte", sagen sie. Apropos Fußball: Kicken wollen die OGB im eigenen Trikot.