Tarifverhandlungen Lokführer-Streik: Jetzt ist es schäbig

Meinung · Der Streik der Lokführer-Gewerkschaft GDL hat viele Pendler und Reisende unerwartet getroffen. Man muss Claus Weselsky nicht mögen, aber in einigen Anliegen hat er recht.

Claus Weselsky ist seit Jahren einer der härtesten Gewerkschaftler in Deutschland.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Man muss Claus Weselsky, den streit- und streikfreudigen Chef der Lokführer-Gewerkschaft GDL nicht mögen. Einige der Bahnfahrer, die derzeit an verlassen Bahnsteigen stehen, werden dem Schnauzbartträger mit dem zackigen Auftreten auch einen Fluch hinterherrufen. Und doch lässt sich kaum bestreiten, dass Deutschlands umstrittenster Gewerkschafter im aktuellen Arbeitskampf mit einigen Anliegen Recht hat.

Der Tarifabschluss der Konkurrenzgewerkschaft EVG unterhalb der Inflationsrate ist ein Witz. Die Bahn ist kein Unternehmen wie jedes andere. Sie ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und als 100-prozentige Tochter des Staates mehr an die Weisungen der Politik gebunden als an Fragen der eigenen Wirtschaftlichkeit. Den Milliardenverlust des vergangenen Jahres hat zu einem guten Teil die Bundesregierung verursacht, weil sie die Bahn angewiesen hat, ihr Zugangebot trotz teils dramatisch einbrechender Passagierzahlen aufrechtzuerhalten. Für die Entscheidung gab es gute Gründe, aber nun ist es nur recht und billig, wenn die Regierung den Verlust bezahlt – und nicht die Beschäftigten.

Die Mitarbeiter der Bahn sind Helden der Pandemie. Im Gegenzug einen Bonus einzufordern, ist angemessen – auch wenn die Zugbegleiter diesen noch ein Stück mehr verdient haben als die Lokomotivführer. Gebührt also der vielgescholtenen GDL die Heldenrolle, während dem Management des Staatskonzerns die Besetzung der Schurken bleibt? Nein. Denn: Der aktuelle Streikzeitpunkt ist der ungünstigste. Ferienzeit, Reiselust, und Rohstoffknappheit – das alles macht den Arbeitskampf folgenschwer. Wirklich vorwerfen lassen müssen sich die Lokführer, dass sie die immer stärkere vierte Welle der Corona-Pandemie einfach ausklammern. Überfüllte Züge sind ein zusätzliches Risiko, dass man besser vermieden hätte. Die Lokführer nehmen die Gesundheit der Bürger in Haftung für ihrer Interessen. Das ist verantwortungslos. Und es ist schäbig. In der Nacht auf Freitag ist der erste Streik vorbei. Ein zweiter muss um jeden Preis vermieden werden.