Regelung gekippt NRW schafft 1000-Meter-Mindestabstand von Windrädern zu Häusern ab
Düsseldorf · Für den Bau neuer Windräder ist in Nordrhein-Westfalen ein weiteres Hemmnis aus dem Weg geräumt. Die Anlagen dürfen näher an Häuser heranrücken. Was nun gelten soll.
Windräder dürfen in Nordrhein-Westfalen künftig unter strengen Voraussetzungen näher an Wohnhäuser heranrücken. Der Landtag schaffte am Freitag mit breiter Mehrheit den umstrittenen pauschalen 1000-Meter-Mindestabstand von Windenergieanlagen zu Wohnsiedlungen im bevölkerungsreichsten Bundesland ab. Für den Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen von CDU und Grünen votierten in namentlicher Abstimmung 148 von 170 Abgeordneten. Auch die SPD als größte Oppositionsfraktion schloss sich dem Gesetzentwurf an. FDP und AfD stimmten dagegen.
NRW ist nach einer Übersicht des Bundesverbandes Windenergie e.V. (BWE) damit künftig neben dem Saarland und Sachsen-Anhalt eines der wenigen Bundesländer, die keine pauschalen Abstandsvorgaben mehr haben. In fast allen Ländern gibt es noch Abstandsvorgaben oder -empfehlungen von wenigen Hundert bis zu 1000 Metern. Wegen strenger Vorschriften etwa zum Lärmschutz werden Windanlagen nach Einschätzung des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE) aber auch in NRW künftig in der Regel mehrere Hundert Meter von Wohnbebauungen entfernt stehen.
Langer Kampf um den Abstand
Der Wegfall der 1000-Meter-Abstandsregel soll dem Ausbau der Windkraft in NRW einen Schub geben. Laut schwarz-grünem Koalitionsvertrag sollen in dieser Legislaturperiode in NRW mindestens 1000 zusätzliche Windkraftanlagen errichtet werden.
In der CDU hatte es lange Bedenken gegen die Abschaffung des Mindestabstands gegeben. Seit der Landtagswahl 2022 regieren die Christdemokraten in NRW aber nicht mehr mit der FDP, sondern mit den Grünen, für die der Ausbau der Windkraft ein Herzensthema ist. Auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der folgende Anstieg der Energiekosten hatte ein Umdenken bei der CDU bewirkt.
Nach der Einführung der Abstandsregeln durch die damalige CDU/FDP-Regierung habe sich „der Wind gedreht“, sagte der Grünen-Abgeordnete Michael Röls-Leitmann. Der FDP-Abgeordnete Dietmar Brockes sagte dagegen, die bisherigen Abstandsregeln hätten Rechtssicherheit und Verlässlichkeit geschaffen. Nun komme stattdessen ein kompliziertes Planungsrecht. „Die schwarz-grüne Landesregierung pfeift auf den geordneten Ausbau und die Akzeptanz im Land und nimmt den Wildwuchs von Anlagen billigend in Kauf.“
Nach Ansicht der SPD hätte die Abstandsregel schon früher gestrichen werden können. Die Landesregierung müsse den erwarteten Ausbau der Windkraft nun auch realistisch einschätzen, sagte der SPD-Abgeordnete André Stinka. „Bei allem Streit, das Ziel des Ausbaus der erneuerbaren Energien und das Ziel, den Industriestandort Nordrhein-Westfalen zu erhalten, ist massiv und muss für die Akzeptanz der Energiewende insgesamt in der Bevölkerung gelingen.“
NRW auf Spitzenplatz bei Genehmigung von Windanlagen
Insgesamt wurden in NRW in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres laut Landesregierung 178 Windenergieanlagen genehmigt. NRW war damit Spitzenreiter im Vergleich der Bundesländer. 45 Anlagen wurden in diesem Zeitraum in Betrieb genommen. Davon ersetzten 13 bestehende, weniger leistungsfähige Anlagen. In der Branche wird dies „Repowering“ genannt. Für diese Erneuerung älterer Windanlagen war die 1000-Meter-Regel bereits früher gekippt worden. Die 45 neuen Anlagen sind im Schnitt 216 Meter hoch. Die Höhe liegt damit leicht über dem Bundesschnitt von 206 Metern. Die SPD bezweifelt, dass die Landesregierung ihr ehrgeiziges Ausbauziel von 1000 neuen Windanlagen bis 2027 erreichen kann.
Die AfD, die eine dritte Lesung des Gesetzes durchgesetzt hatte, forderte in einem Antrag statt der Abschaffung eine Erhöhung des Mindestabstands auf sogar 2000 Meter. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Windräder heutzutage höher seien als bei Einführung der Abstandsgrenze von 1000 Metern.
Flächenplanung statt Abstandsregel
Künftig wird der Ausbau der Windkraft in NRW durch regionale Flächenvorgaben gesteuert. Im Juni hatte das Landeskabinett den Entwurf eines neuen Landesentwicklungsplans (LEP) auf den Weg gebracht. Bis zum Jahr 2032 muss NRW 1,8 Prozent der Landesfläche (61 400 Hektar) für Windenergie ausweisen. Das Land will dieses Ziel bereits bis 2025 erfüllen. Der LEP mit Flächenvorgaben für den Windkraftausbau für sechs Regionen soll im Frühjahr 2024 in Kraft treten. Derzeit sind nach Lanuv-Angaben rund 1,3 Prozent der Landesfläche planerisch für Windenergie gesichert.
Die Flächenpotenziale konzentrieren sich demzufolge besonders auf die Randbereiche Nordrhein-Westfalens. Für viele Großstädte im Ruhrgebiet und an der Rheinschiene wurden dagegen keine Flächenpotenziale identifiziert. Die größten Potenziale liegen der Studie zufolge vor allem im Hochstift Paderborn und dem östlichen Teil des Sauerlands, im Nordwesten des Münsterlandes sowie im westlichen Teil des Regierungsbezirks Köln.
Der Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE NRW), Christian Mildenberger, begrüßte die Abschaffung des 1000-Meter-Mindestabstandes. Die Regel sei mit einer der entscheidenden Gründe für lahmenden NRW-Windenergieausbau in den zurückliegenden Jahren gewesen. Der Verband sehe bei der Landesregierung „eine Reihe von positiven Signalen“ dafür, dass demnächst „endlich wieder mehr neue Windenergielagen in Betrieb gehen werden“.