Wölfe in NRW Wölfin „Gloria“ darf doch nicht getötet werden – Das ist der Hintergrund

DÜSSELDORF/WESEL · Naturschutzverbände haben sich mit Erfolg vor Gericht gegen eine Abschusserlaubnis für die Wölfin Gloria im Kreis Wesel gewehrt. Doch noch ist es nur ein zeitlicher Aufschub.

 Die Zahl der Wölfe, hier ein Artgenosse von „Gloria“, nimmt zu.

Die Zahl der Wölfe, hier ein Artgenosse von „Gloria“, nimmt zu.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die Wölfin „Gloria“ darf vorläufig nicht abgeschossen werden. Das hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf am Donnerstag entschieden.

Der Kreis Wesel hatte „Gloria“ einen Tag zuvor per Allgemeinverfügung zum Abschuss freigegeben. Amtlich heißt „Gloria“ GW954f. Das Kürzel steht für: Grauwolf 954, weiblich. Es sei eine Ausnahmegenehmigung zur Entnahme der Wölfin erteilt worden, hatte die Kreisverwaltung am Mittwoch mitgeteilt. „Gloria“ hatte am Niederrhein wiederholt hohe Zäune überwunden und Tiere gerissen.

Die behördliche Entscheidung

„Gloria“ wäre damit das erste Tier, das nach der Rückkehr der Wölfe nach Nordrhein-Westfalen abgeschossen werden dürfte. Die Tierart ist in Europa gesetzlich streng geschützt und darf nicht bejagt werden. Der Kreis Wesel hatte angekündigt, einer „sachkundigen Person“ den Auftrag „zur Entnahme“, zu erteilen, wie die Tötung im Amtsdeutsch heißt. Gleichzeitig wurde auch geregelt, was passiert, wenn bei der Jagd auf „Gloria“ versehentlich ein anderer Wolf getötet würde. Dann dürfe (mit „Gloria“) ein weiterer Wolf geschossen werden.

Vorläufige Gerichtsentscheidung

Die „Gesellschaft zum Schutz der Wölfe“ und der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) legten sofort Eilanträge gegen die Allgemeinverfügung des Kreises Wesel ein. Über die Begründetheit der Rechtsmittel kann das Verwaltungsgericht Düsseldorf jedoch nicht so schnell ohne weitere Prüfung entscheiden. Um aber zu verhindern, dass durch einen Abschuss vor einer gerichtlichen Entscheidung in der Sache Fakten geschaffen werden, entschied das Düsseldorfer Verwaltungsgericht: „Mit Blick auf die betroffenen öffentlichen Interessen – einerseits den Schutz einer streng geschützten Art und andererseits die Abwendung ernster landwirtschaftlicher Schäden – ist die begehrte Zwischenentscheidung zur Verhinderung vollendeter Tatsachen durch Tötung der Wölfin geboten.“ Über die Eilanträge selbst werde im Verlauf der kommenden Wochen entschieden werden.

Die Sicht der Naturschutzverbände

Aus Sicht des BUND NRW ist die Verfügung des Kreises in mehreren Punkten fehlerhaft. Es habe keine ausreichende Beteiligung der gesetzlich anerkannten Naturschutzverbände gegeben. Auch sei die Alternativenprüfung sowie der zeitlich-räumliche Zusammenhang zwischen Schadensereignissen und der Verfügung in ungenügender Weise begründet. Ferner sei nicht beachtet worden, dass es sich bei der Wölfin um das einzige reproduzierende Tier in der betreffenden Region Nordrhein-Westfalens handelt und insofern der geplante Abschuss populationsgefährdend wäre.

Holger Sticht, Vorsitzender des BUND NRW, sagt: „Im Kreis Wesel werden bis heute durch fehlenden oder fehlerhaften Herdenschutz Wölfe geradezu dazu eingeladen, Nutztiere zu attackieren. Solange sich Tierhalter weiterhin weigern, den notwendigen und öffentlich geförderten Herdenschutz, zu welchem auch unzweifelhaft Herdenschutzhunde zählen, in Anspruch zu nehmen, wird es auch weiterhin Nutztierrisse geben, egal durch welchen Wolf. Wer die Wölfin jetzt einer lautstarken Minderheit als „Bauernopfer“ präsentieren will, verstößt nicht nur gegen Artenschutzrecht, sondern verweigert sich auch allen nachhaltigen Konfliktlösungen.“

Und Angelika Eckel von der BUND Kreisgruppe Wesel betont: „Zwar mag nach einem Abschuss in der Folge für einige Wochen die Risstätigkeit nachlassen, aber der nächste Wolf wird ungeschützte Huftiere ebenfalls als leichteste Beute entdecken. Vorrang hat die Umsetzung eines flächendeckenden, wolfsabweisenden Herdenschutzes.“

Politik und Zahlen

Die Umweltminister von Bund und Ländern hatten sich Anfang Dezember darauf geeinigt, problematische Wölfe, die Schutzzäune überwunden und Nutztiere gerissen haben, sollten künftig deutlich schneller als bisher getötet werden können. In Gebieten mit einem erhöhten Rissaufkommen soll bereits nach dem erstmaligem Überwinden des zumutbaren Herdenschutzes und dem Riss von Weidetieren eine Abschussgenehmigung möglich sein.

Die Zahl der Wolfsübergriffe auf Nutztiere ist im vergangenen Jahr auf mehr als 1000 Fälle gestiegen. Dabei wurden mehr als 4000 Nutztiere getötet oder verletzt, wie aus einem Bericht hervorgeht. Als effizienteste Maßnahme zum Schutz von Nutztieren werden Herdenschutzmaßnahmen wie Zäune und Herdenschutzhunde betont. Der Umweltverband BUND fordert dafür Mindeststandards. Seit der Rückkehr des Wolfs nach Deutschland vor über 20 Jahren gab es laut Bundesumweltministerium keine Wolfsübergriffe auf Menschen.

Der Abschuss von einzelnen auffälligen Wölfen ist auch heute schon unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Nach Daten des Bundesamtes für Naturschutz sind in Deutschland seit 2017 zwölf Wölfe mit Behördengenehmigung in mehreren Bundesländern getötet worden. Nachgewiesener Weise gibt es in Deutschland laut einer Statistik mehr als 1300 Wölfe. Nach Daten der Europäischen Union gibt es in 23 Mitgliedsstaaten mehr als 20 000 Wölfe mit meist wachsenden Populationen und expandierenden Streifgebieten sowie Rudel mit Welpen.