Richterauswahl Erst Kirchenlobbyistin, dann hohe Richterin?

DÜSSELDORF · Neue Vorwürfe im Streit um mögliche Einflussnahme des NRW-Justizministers Limbach (Grüne) auf die Richterauswahl am Oberverwaltungsgericht.

Ausschussvorsitzender Werner Pfeil (FDP)

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Hat der Landesjustizminister regelwidrigen Einfluss auf die Besetzung eines hohen Richteramts genommen? Warum zog eine von ihm offenbar favorisierte Bewerberin an den Konkurrenten für das Präsidentenamt am Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster vorbei und wurde erst nach gerichtlichen Klagen von Wettbewerbern gestoppt? All das hat der Rechtsausschuss des Landtags bereits in mehreren Sondersitzungen zu klären versucht.

Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) stritt dabei ab, ein von der Opposition hinterfragtes „Näheverhältnis“ zu der Kandidatin zu haben. Nun führt die FDP im Landtag ein neues Thema in dieser Causa ein. Nämlich die Vergangenheit der Kandidatin vor ihrer Zeit als Abteilungsleiterin im Innenministerium. Und die Frage, wie weit sich diese Vergangenheit mit der für das hohe Richteramt erforderlichen Neutralität verträgt. Und warum entsprechende Zweifel den Justizminister nicht erschüttert hätten.

Werner Pfeil, Landtagsabgeordneter der FDP und Vorsitzender des Rechtsausschusses im Düsseldorfer Landtag, will in einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung wissen: „Wie ist die von Justizminister Limbach akzeptierte Überbeurteilung der von ihm favorisierten Bewerberin für das Amt des Präsidentenamtes des OVG mit dem Neutralitätsgebot des Staates vereinbar?“ Hintergrund der Frage ist, dass die Kandidatin ab 2011 neun Jahre lang „dem Kommissariat der Katholischen Bischöfe zugewiesen und somit als Lobbyistin der Katholischen Kirche in Berlin tätig war“, wie es in der Kleinen Anfrage heißt.

Auf der Plattform Domradio.de, dem katholischen Medienportal des Erzbistums Köln, hatte es 2020 beim Wechsel der Juristin ins Innenministerium anerkennend geheißen: „Die studierte Juristin engagierte sich besonders für den Lebensschutz, die Beibehaltung des Werbeverbots für Abtreibungen und das Gesetz zum Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid.“

In der Tat hochpolitische und besonders intensiv diskutierte Fragen. Eine Vorfestlegung könnte bei künftigen Gerichtsverfahren an einer richterlichen Neutralität zweifeln lassen. FDP-Mann Werner Pfeil argumentiert: „In einem modernen demokratischen Verfassungsstaat sollte das öffentliche Verständnis von Gerechtigkeit möglichst von kontroversen philosophischen und religiösen Lehren unabhängig sein.“ Und: „Die katholische Kirche negiert in ihrer Binnenstruktur insbesondere die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, die Fortpflanzungsfreiheit der Frauen, die Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung in den unterschiedlichen realen Varianten oder die freie Selbstbestimmung über das eigene Leben und bemüht sich, dies in staatliches Recht umzusetzen.“

Justizminister Limbach habe, so Pfeil, zur Begründung eines Eignungsvorsprungs der Kandidatin für den Richterposten auf ein kirchliches Arbeitszeugnis zurückgegriffen. Nämlich die arbeitsrechtliche Bewertung durch den leitenden Prälaten des Kommissariats der katholischen deutschen Bischöfe, dessen Stellvertreterin die spätere Richter-Bewerberin war. Dies offenbar deshalb, weil die Bewerberin bereits seit dem Jahr 2011 nicht mehr in der Justiz tätig gewesen sei und entsprechende Qualifizierungen für das Richteramt entsprechend lange zurücklagen.

Und dann zitiert Pfeil aus diesem Arbeitszeugnis: Die aus der kirchlichen Arbeit ausscheidende Juristin sei „für die Kontaktpflege zu den Vorständen/Präsidien der Bundesparteien inklusive der regelmäßig stattfindenden Spitzengespräche zuständig“ gewesen und habe „oft entscheidend zur Positionierung der Kirche in ethischen, politischen und staatskirchenrechtlichen Fragen beigetragen“. Weiter heiße es in dem Zeugnis: „Ihre charakterliche Festigkeit, ihre Höflichkeit und ihr Humor machten es ihr leicht, auch schwierige Verhandlungen zu führen und dort den Standpunkt der katholischen Kirche einzubringen.“

In der Kleinen Anfrage fragt Pfeil: „Wenn das kirchliche Arbeitszeugnis für die Überbeurteilung hohes Gewicht hat, wie begründet Justizminister Limbach, dass die langjährige Vertretung der Anliegen und Standpunkte der katholischen Kirche „in absoluter Loyalität mit den deutschen Bischöfen“ die Bewerberin für die Präsidentschaft des Oberverwaltungsgerichts herausragend qualifizierte?“ Warum gebe es da keine Bedenken hinsichtlich des Neutralitätsgebots für das Präsidentenamt des OVG? Und weiter: „Aus welchen Anhaltspunkten im Arbeitszeugnis oder anderen Dokumentationen entnimmt der Justizminister bei der von ihm übernommenen Überbeurteilung, dass seine favorisierte Bewerberin trotz ihrer über neun Jahre religiöser Tätigkeit bei der Katholischen Kirche als Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts in keine Konfliktsituation bei Ausübung als Richterin gerät?“ Spannende Fragen, deren Beantwortung durch die Landesregierung bislang noch aussteht.