NRW Plagiatsvorwurf erschüttert die CDU im Kreis Viersen
Kreis Viersen · Kurz vorm Parteitag der Kreis-CDU zur Nominierung ihres Bundestagskandidaten kommt raus: Einer der sechs Bewerber hat in seinem Werbebrief abgekupfert. Auch CDU-Generalsekretär Paul Zimiak ist informiert.
(mrö) Der Viersener CDU-Vorsitzende Sebastian Achten will bei der Bundestagswahl am 21. September als Direktkandidat aus dem Kreis Viersen in den Deutschen Bundestag gewählt werden. An diesem Wochenende nominiert die Kreis-CDU ihren Kandidaten; neben Achten treten fünf weitere Bewerber an. Warum er der Richtige für den Job in Berlin ist, hatte der 28-jährige Achten am Donnerstag in einem Brief an die CDU-Mitglieder im Kreis Viersen geschrieben. Der beginnt mit dem Satz: „Digitalisierung, Klimawandel, Demografie – wir leben in Zeiten des Wandels.“ Problem: Dieser Satz, aber nicht nur dieser, gleicht ziemlich genau dem Einführungssatz des Christdemokraten Bernd Schulte aus dem Hochsauerlandkreis, mit dem der sich Ende Februar bei den dortigen CDU-Mitgliedern für die Wahl zum Direktkandidaten empfahl: „Digitalisierung, Klimawandel, Migration, Demographie – wir leben in turbulenten Zeiten...“
Auch der Aufbau der Schreiben ist identisch, und beide Briefe werden von denselben Satzfragmenten durchzogen: „Die nächsten Jahre sind entscheidend für unsere Region“, schreibt Schulte zu Beginn des dritten Absatzes, bei Achten heißt es: „Die nächsten Jahre sind entscheidend für unsere Heimat.“ Und: „Die Herausforderungen sind groß“, heißt es bei beiden; auch die Begründung ist verblüffend ähnlich: „Unternehmen leiden unter dem Fachkräftemangel“, schreiben Schulte und Achten wortgleich. Schulte schreibt weiter: „Die Pandemie hat deutliche Spuren hinterlassen, insbesondere in Tourismus, Gastronomie, Eventbranche und Einzelhandel.“ Bei Achten heißt es: „In den Bereichen Tourismus, Gastronomie und im Einzelhandel hat die Pandemie deutliche Spuren hinterlassen.“ Und auch in der Begründung für ihre Bewerbung unterscheiden sich Schulte und Achten nicht: „Ich möchte, dass der Kreis Viersen auch in Zukunft strukturstark, innovativ und lebenswert bleibt“, heißt es bei Achten. Und bei Schulte: „Ich möchte, dass der Hochsauerlandkreis auch in Zukunft strukturstark, innovativ und lebenswert bleibt.“
In der CDU schlugen die Wogen hoch. „Es herrscht Fassungslosigkeit“, sagt Kreisvorstandsmitglied Michael Aach. „Auch wenn das Bewerberschreiben keine Doktorarbeit ist, ist der Zeitpunkt durchaus bemerkenswert – nachdem Bundesfamilienministerin Franziska Giffey tags zuvor von ihrem Amt wegen der Plagiatsaffäre zurückgetreten ist.“ Gleichwohl gehe er nicht davon aus, dass der Vorgang das Wahlergebnis maßgeblich beeinflussen werde. Von einem „Eigentor auf der Zielgeraden“ sprechen andere CDU-Mitglieder aus dem Kreis. Einer fragt: „Wessen Rede wird Herr Achten beim Parteitag am Samstag halten? Das können wir dann ja googeln.“ Auch CDU-Generalsekretär Paul Zimiak erfuhr von den wortgleichen Passagen der beiden Bewerberschreiben.
Und wie erklärt Sebastian Achten den Vorgang? „Das Schreiben ist in meinem Unterstützerteam entstanden; natürlich trage ich die Verantwortung dafür. Ich kann nicht abstreiten, dass das Schreiben von Herrn Schulte die Vorlage bildete.“ Dennoch seien die Inhalte seine Inhalte, betonte der Viersener CDU-Vorsitzende: „Ich habe in den vergangenen Jahren mit meiner Arbeit hier vor Ort bewiesen, dass die Themen Wirtschaftsförderung oder Sicherheit meine Themen sind – übrigens auch Frauenförderung.“ Von der ist in Schultes Brief nichts zu lesen. Er bedaure, „dass einige Parteifreunde auf den letzten Metern Schüsse abfeuern“, sagt Achten. Bei Herrn Schulte habe er sich entschuldigt
Schulte bestätigt das. „Herr Achten hat mich angerufen, sich entschuldigt. Damit ist die Angelegenheit für mich geregelt.“ Bundestagskandidat im Hochsauerlandkreis ist Schulte übrigens nicht geworden – er verzichtete auf die Kandidatur zugunsten eines gewissen Friedrich Merz.