Politischer Aschermittwoch Machtverschiebung auf großer Bühne

Lennestadt · Hanau, Volkmarsen, Corona und die CDU-Führungskrise: Der politische Aschermittwoch in ernsten Zeiten zeigt nicht nur bei CSU und Grünen, wie sich die Machtverhältnisse verschieben.

Armin Laschet (M, CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, kommt in die Schützenhalle Lennestadt-Kirchveischede zum politischen Aschermittwoch des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der CDU.

Foto: dpa/Roberto Pfeil

Wie ernst die Lage für die Union ist, erweist sich schon in den kleinen Momenten an diesem politischen Aschermittwoch. Markus Söder ist eigentlich fertig mit seiner Rede, der CSU-Chef genießt den minutenlangen Applaus der „gefühlten 10 000“ in Passau. Doch dann geht er zurück ans Mikrofon, um noch einmal etwas zum politischen Hauptgegner loszuwerden.

Söder nimmt Grünen-Chef Robert Habeck aufs Korn, der bei seinem Auftritt in Landshut - so die Lesart der CSU - über den politischen Aschermittwoch gelästert habe. „Das nächste Jahr soll er sich einfach mal hier reinsetzen“, ruft Söder unter dem Jubel der CSU-Anhänger. „Von der CSU lernen heißt Aschermittwoch lernen.“

Tatsächlich ist dieser Aschermittwoch eine Lehrstunde darüber, wie sich die Machtverhältnisse im Land verschieben. Der Angstgegner Söders, der CSU und der Union insgesamt, das sind längst die Grünen - das wird in der Rede des CSU-Vorsitzenden überdeutlich.

Darüber hinaus ist dieser Aschermittwoch aber auch ein Seismograph für die Stimmung im Land, zwischen CDU-Führungskrise, dem mutmaßlich rassistischen Anschlag in Hanau, der Coronavirus-Sorge. Eines eint - bis auf die Rechtspopulisten - alle Parteien: die scharfe Abgrenzung zur AfD.

Bemerkenswert ist das Fernduell Söder-Habeck, weil es einen Blick in die Zukunft erlaubt. Söder schaltet immer wieder in seiner Rede auf Angriff: Das Programm der Grünen mit Verboten und Belehrungen atme den Mief der 80er Jahre. Die Grünen wollten „nix Neues, viel Altes, immer das gleiche“, den Griff in grüne „Mottenkisten“.

Söder schimpft über „grünen Sozialismus“ und lehnt unter diesen Umständen eine Koalition mit den Grünen nach der nächsten Wahl ab: „Ein solches Programm ist für uns in CDU und CSU nicht koalitionsfähig, diesen Weg beschreiten wir für Deutschland nicht mit.“ Ohnehin unterstellt Söder den Grünen, diese wollten lieber ein Bündnis mit SPD und Linken. Er warnt: „Nicht von Schwarz-Grün träumen und am Ende mit Grün-Rot-Rot aufwachen.“

Und speziell auf Habeck hat es Söder abgesehen. Wenn dieser einmal gesagt habe, Vaterlandsliebe finde er zum Kotzen, dann sage er dazu nur: „Wer sein Land nicht liebt, kann sein Land nicht führen.“ Söder ruft: „Ein grüner Kanzler – den wollen wir nicht in Deutschland.“

Habeck kontert - auf seine Weise. Er klagt, die „schizophrene“ CSU, die CDU und die SPD beschäftigten sich nur noch mit sich selbst. Sie hätten keine Zeit mehr, Antworten auf die zentralen Fragen der Zeit zu liefern. „Das ist die Aufgabe, die wir annehmen müssen.“

Politik müsse Probleme lösen, Vertrauen aufbauen und diese Gesellschaft zusammenhalten - gerade in Zeiten mit „demokratischen Lücken“ wie dem wachsenden Rechtsterrorismus und Sorgen der Menschen vor Veränderungen. Er sagt, 40 Jahre nach ihrer Gründung seien die Grünen als Bündnis unterschiedlichster Menschen prädestiniert, der Gesellschaft Antworten auf ihre Fragen zu liefern.

„Halten wir Aschermittwochsreden der Zuversicht und nicht der Bepöbelung des politischen Gegners. Gucken wir gar nicht auf den politischen Gegner. Gucken wir nur noch auf die Probleme, gehen sie an, lösen wir sie“, fordert Habeck.

Gleichwohl findet er in Richtung Union und SPD deutliche Worte: „In einer Zeit, wo politische Führung so erforderlich ist, haben wir es mit einem Komplettausfall der Volksparteien zu tun“, klagt er. Die Lage sei gefährlich, da man sich an die „Sehnsucht der SPD nach Bedeutungslosigkeit“ schon fast gewöhnt habe und auch die chaotisch demoralisierte Union längst wie ein Schiff ohne Steuer und Anker herumtreibe. „Die Desorientierung der anderen Parteien, die sich nur noch um sich selber drehen - das ist ganz konkret ein Problem, das Deutschland lähmt“, warnt Habeck.

Tatsächlich dreht sich die CDU nach der Rückzugsankündigung von Annegret Kramp-Karrenbauer derzeit ein Stück weit um sich selbst - auch an diesem Aschermittwoch. Die scheidende Vorsitzende warnt angesichts des Konkurrenzkampfes um ihre Nachfolge zwar vor einer allzu intensiven Selbstbeschäftigung. „Wir dürfen nicht den Fehler machen zu glauben, wir als Partei seien der Nabel der Welt“, sagt sie beim Aschermittwoch in Fellbach bei Stuttgart - wissend, dass für den Abend sowohl NRW-Ministerpräsident Armin Laschet als auch der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz jeweils eigene Auftritte angekündigt hatten. Zwischen diesen beiden und Norbert Röttgen wird sich entscheiden, wer neuer CDU-Chef wird.

Kramp-Karrenbauer hält eine nachdenkliche Rede. Sie geht auf die Anschlagsopfer von Hanau ein und die Verletzten in Volkmarsen, wo ein Autofahrer beim Rosenmontagszug in eine Menschenmenge gefahren war. Die CDU grenzt sie nach links und rechts ab. Sie mahnt - und da ist sie nah an Habeck - aber auch: „Am Ende reicht es den Menschen in Deutschland nicht aus, was wir links und rechts nicht wollen. Die Menschen erwarten von uns, dass wir ihnen Antworten geben auf ihre Fragen.“

Söder macht derweil deutlich, dass sich die CSU bei der Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden heraushält - aber nicht bei der Kür des Kanzlerkandidaten. „Ohne die CSU wird es keinen Kanzlerkandidaten geben, und ohne die Stimme aus Bayern kann kein Unions-Mann gewählt werden“, warnt er. „Nur zusammen, nicht allein wird es laufen.“

In einem aber sind sich an diesem Aschermittwoch fast alle einig, und alle mit der gleichen Sorge und dem gleichen Ernst: bei den Attacken auf die AfD, den Warnungen vor Rechtsextremismus, Rassismus und „braunem Gift“ (Söder), das das demokratische Grundwasser verseuche.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken wird mit am deutlichsten. Sie sagt beim Aschermittwoch ihrer Partei im niederbayerischen Vilshofen: „Nur weil die AfD in einer demokratischen Wahl in die Parlamente gewählt wurde, sind es noch lange keine Demokraten. Nazis bleiben Nazis.“

(dpa)