Sehbehinderte bei Bränden: Wenn man Feuer nicht sieht

Die Feuerwehr Grevenbroich hat mit neun sehbehinderten Menschen trainiert, wie sie sich bei einem Brand richtig verhalten.

Grevenbroich. Feuer in den eigenen vier Wänden — für jeden eine schreckliche Vorstellung. Für blinde oder stark sehbehinderte Menschen ist so eine Situation noch bedrohlicher und auch gefährlicher. Sie wissen nicht, wo das Feuer genau ist, welcher Gegenstand brennt oder wie stark. Die Feuerwehr Grevenbroich hat jetzt neun sehbehinderte Menschen zu einem Seminar eingeladen, in dem die Teilnehmer lernen konnten, in gefährlichen Situationen richtig zu handeln.

„Ein Sehender kann Qualm sehen, ein Blinder kann ihn nur riechen“, sagt Andrea Rosemann. Sie ist stark sehbehindert und organisiert seit Jahren einmal im Monat ein Treffen für Betroffene in Grevenbroich. Als die Gruppe vor einiger Zeit an einem Seminar der Polizei teilnahm, kam die Idee auf, der Feuerwehr auch einmal einen Besuch abzustatten. Andrea erzählte ihrem Mann Jürgen von der Idee. Er ist seit Jahren in der Einheit Stadtmitte der Freiwilligen Feuerwehr Grevenbroich aktiv und war sofort begeistert.

„Wir haben erst mal versucht, Informationen über vergleichbare Seminare mit Blinden zu bekommen, hier in der Umgebung aber nichts gefunden“, erzählt ihr Mann Jürgen Rosemann. Also entwickelten er und die Mitglieder des Teams Branderziehung ein eigenes Konzept. „Normalerweise gehen wir in Kindergärten oder Schulen.

Wenn man mit Sehbehinderten arbeitet, muss man ganz anders an die Sache ran gehen“, sagt Rosemann. Das wichtigste für die Betroffenen sei, Brandort und -quelle zu lokalisieren und sich dann in Sicherheit zu bringen. Das sei jedoch besonders für komplett erblindete Menschen sehr schwer: „Da gibt es auch von uns kein Patentrezept. Wir können nur Grundlagen vermitteln und hoffen, damit weiterzuhelfen.“

Als Einstieg gab es für die neun Teilnehmer und Blindenhund Enny am Samstag erst einmal Theorie. Die Mitglieder der Feuerwehr erklärten, wie Rauchmelder funktionieren, welche Aufgaben die Feuerwehr übernimmt, wann man sie rufen kann und wie man einen Notruf richtig absetzt. „Blinde Menschen sollten dabei immer angeben, dass sie eine Behinderung haben. Gibt es einen Blindenhund, dann sollte man auch das erwähnen“, erklärt Rosemann.

Nach der Theorie folgte die Praxis. Die Teilnehmer gingen mit zwei Feuerwehrmännern in kompletter Montur — also mit Anzügen und Atemmasken — auf Tuchfühlung und ertasteten die Ausrüstung. Auch für Blindenhund Enny war das neu. „Zuerst hatte er Angst, später ging es dann schon besser“, erzählt Rosemann. Auch zwei Löschfahrzeuge wurden von den Sehbehinderten genauestens betastet. Anschließend stiegen die Teilnehmer in den Korb einer Drehleiter und fuhren nach oben. Hund Enny schlug sich dabei tapfer und folgte seinem Frauchen in das schwankende Gerät.

Jürgen Rosemann war mit der ersten Veranstaltung dieser Art in Grevenbroich zufrieden. Der 48-Jährige kann sich vorstellen, in Zukunft öfter so einen Kurs anzubieten: „Wenn der Bedarf da ist, können wir das gerne noch mal machen.“