Hochbegabte Schüler: „Streberklischee ist ein Problem“
Alle zwei Wochen findet bei der VHS ein Kurs für hochbegabte Schüler statt.
Kaarst. In der Grundschule galt sie noch als Streberin, heute kommt Pia Weißenberg (15) mit ihren Mitschülern gut klar. Sie hat gelernt, sich zurückzuhalten und nicht gleich die Antworten hinauszuposaunen, auch wenn sie immer alles viel schneller weiß, als ihre Klassenkameraden. Bei Hannah Krewer und Celine Coldewe (beide 16) aus Meerbusch ist es ähnlich, denn alle drei sind das, was im Volksmund hochbegabt genannt wird.
Die drei Teenager haben sich im Philosophiekurs für Hochbegabte kennengelernt, der alle zwei Wochen in den Räumen der Volkshochschule stattfindet. Das Angebot ist eine seit Jahren erfolgreich praktizierte Kooperation zwischen VHS und dem Kaarster Institut für Begabtenförderung „Helle Köpfe“. Es ist eine Möglichkeit auf Gleichgesinnte zu treffen, aber auch eine schöne Abwechslung vom Schulalltag, der Hochbegabte oft unterfordert.
„Das größte Problem für die Kinder ist das Klischee des Strebers“, sagt Eva Hendricks, Leiterin des Instituts und selber Mutter hochbegabter Kinder. „Das macht sie schnell zu Außenseitern.“ Pia hat dazu eine ganz klare Meinung: „Die Leute müssen aufhören zu glauben, dass Hochbegabte automatisch gut in der Schule sind und ihnen alles zufliegt. Das ist nicht so.“ Es komme sogar vor, dass die Lehrer den Schülern schlechte Noten geben, weil sie ihre Arbeiten nicht verstehen. Die Erfahrung kann Celine bestätigen.
Das Thema Hochbegabung werde heute jedoch nicht mehr so tabuisiert, wie noch vor einigen Jahren, sagt Begabungspädagogin Hendricks: „Heute gibt es mehr Angebote.“ Auch die Lehrer seien offener und eher bereit, nicht nur die schwachen Schüler zu fördern, sondern auch die überdurchschnittlich starken.
Oft seien es die Lehrer oder andere Außenstehende, die eine Hochbegabung beim Kind feststellen und nicht die Eltern. „Meistens sind die auch hochbegabt“, sagt Hendricks. „Für sie ist es normal, dass ihr Kind schon mit einem Jahr dreistellige Zahlen lesen kann.“
Im Philosophiekurs können die Freundinnen und acht andere Schüler verschiedener Altersklassen zeigen, was sie drauf haben. Kursleiter Helmut Engels stellt philosophische Fragen zu einem Text von Mark Twain. Die Kinder melden sich zwar, doch einmal zu Wort gekommen, schießen Engels die Antworten nur so entgegen. Nebenbei lösen einige noch Knobelaufgaben. „Es ist motivierend und erlösend für die Kinder nicht warten zu müssen, dass die Mitschüler nicht darauf kommen“, sagt Hendriks. „Diese Warterei ist es, die Hochbegabte unglücklich macht.“
Es gibt aber auch eine Kehrseite der Medaille: „Ich werde 16 sein, wenn ich das Abitur habe. Aber ich kann doch jetzt noch nicht mein ganzes Leben planen“, sagt Pia, die, wie viele der anderen auch, ein Schuljahr übersprungen hat. Den anderen geht es ähnlich. Sie wollen nach dem Abi erst einmal ein Jahr ehrenamtlich arbeiten oder ins Ausland gehen.