Vortrag in Kaarst Referent berichtet vom politischen Berlin

Kaarst. · Journalist Robin Alexander beschrieb im „Dialog Zukunft“, wie wichtig Umfragen sind.

Robin Alexander hat einen Vortrag in der Veranstaltungsreihe „Dialog Zukunft“ der VHS in der Rathausgalerie gehalten.

Foto: Woitschuetzke,Andreas (woi)

Sein Name und sein aus Talkshows bekanntes Gesicht zogen. Zahlreiche Zuhörer fanden sich auf Einladung der VHS in der Rathausgalerie ein, um durch Journalisten Robin Alexander Hintergründiges des Berliner Politikbetriebs zu erfahren. Der Titel der Veranstaltung war provozierend: „Bitte hört nicht auf uns! Oder: Wie wird heute regiert?“ Robin Alexanders These: Politik wird auf Basis von Stimmungen gemacht und soll ein Gefühl der Geborgenheit vermitteln.

Als Chefreporter der „Welt“ begleitet Alexander seit Jahren Angela Merkel und beschreibt seine Arbeit so: Er „schaut Regierenden beim Regieren zu“. Deshalb begründet er exemplarisch anhand Merkels Politik seine Thesen. Die Bürger gingen oft davon aus, dass wichtige Entscheidungen im Bundestag getroffen würden. Dem sein nicht so: Die eigentliche Arbeit finde in den Ausschüssen statt. Durch Wahlen habe der Bürger das Gefühl von „Wir regieren“. Das sei nicht so gut wie es sich anhört. Denn die Kanzlerin drehe ihr Fähnchen im Wind. Wenn die Bevölkerung etwas anderes wolle als sie, lässt sie das durch professionelle Demoskopie feststellen und richtet ihre Politik danach aus. So sei vom „Leipziger Programm“ der CDU von 2003 später so gut wie nichts umgesetzt worden – weder eine große Steuerreform noch energiepolitische Ziele. Merkel erkannte, dass sie 2005 trotz und nicht wegen ihres Programms gewählt wurde.

Weil sich die Stimmung in der Bevölkerung änderte, änderte Angela Merkel auch ihre Politik. Weshalb sie so genau über die Gefühle der Bürger Bescheid weiß, bewies Alexander durch Präsentation vieler Umfragen von Meinungsinstituten. Den Vorwurf der asymmetrischen Demobilisierung ignoriert Merkel, weil sie damit Wahlen gewinnt, indem sie Themen politischer Gegner so nachhaltig abräumt. Negative Gefühle wie nach den Reaktorkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima stehen für Merkel oft im Vordergrund des politischen Handelns.

Zwar gab es schon immer Vorbehalte gegenüber der Atomenergie. Durch die Havarien aber bekamen die Menschen regelrecht Panik. Nach der Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke machte ihre Politik eine 180-Grad-Wendung und setzte einen völlig unvorbereiteten Atom-Ausstieg durch. „Unsere Gefühle sind zur Politik geworden und der Bürger bekommt genau das, was er bestellt“, so Robin Alexanders Fazit. Bei der Flüchtlingspolitik gab es in den Anfangsjahren der Kanzlerschaft Merkels keine einheitliche Meinung. Deshalb mied sie das Thema. Als sie aber 2015 in einer Fernsehsendung mit den Tränen eines Flüchtlingsmädchens konfrontiert wurde und angeblich wie eine „Eiskönigin“ (Stern) reagierte, änderte sie ihre Politik, stellte Gefühle über Bedenken und öffnete die Grenzen. Robin Alexander ist sich sicher: In Deutschland wird nach Meinungsumfragen sowohl regiert wie opponiert. Vor Merkel profitierten die Bürger oft von dem, was sie nicht wollten: etwa die Euro-Währung. Sein Rat: Politiker danach beurteilen, ob sie den Bürgern nach dem Mund reden oder Widerworte geben und ob sie den Mut haben, Unpopuläres durchzusetzen.