Die schönen Seiten des Pflegeberufs
Anna Herzfeld arbeitet mit viel Freude im Altenheim, erlebt liebevolle Geschichten und Menschen. Aber auch der Tod gehört dazu.
Manche mögen‘s süß. Andere ziehen Leberwurst oder Käse vor. Schwester Anna erfüllt die Frühstückswünsche ihrer Bewohner gerne, schneidet die Kruste ab und das Weißbrot in kleine Stücke für Menschen, die nicht mehr gut kauen können. Seit halb sieben ist sie im Einsatz, hat Frau A. schon geduscht und mit ihr dabei über Politik diskutiert. Hat Betten gemacht, beim Anziehen und bei Toilettengängen geholfen.
Nach dem Frühstück klopft sie vorsichtig an der Tür mit der bunten, selbstgebastelten Osterdekoration. Fröhlich wird sie hereingebeten. Bewohnerin Ursula Lück ist schon länger wach. Das frühe Aufstehen ist sie von früher gewohnt, von der Arbeit in der Backstube. Die 71-Jährige hat keinen harten Schnitt gemacht, als sie ins Altenheim gezogen ist. „Ich habe einfach mein Zuhause mitgebracht“, sagt sie. An die Wände hat sie selbstgestickte Bilder hängen lassen. Landschaften und christliche Motive. Schwarz-Weiß-Fotografien erinnern an vergangene Zeiten und Farbfotos an die Kinder und die Enkel. Im Altenheim Hildegundis von Meer fühlt sie sich wohl, seit dem ersten Tag. „Frau Lück ist unsere Powerfrau“, erklärt Schwester Anna. Mit dem E-Mobil fährt die Bewohnerin gerne zum Einkaufen in den Ort, im Haus nimmt sie an Kochkursen und Spieleabenden teil. Die 71-Jährige lacht laut und viel. „Hier ist es so schön, und wir haben so eine tolle Schwester Anna“, schwärmt sie.
Anna Herzfeld arbeitet im Wohnbereich 5, in dem 23 Bewohner aller Pflegegrade leben. Menschen mit Demenz, mit Parkinson, bettlägerige, teilweise gelähmte Menschen. Sie alle erfordern eine individuelle Pflege, haben eine individuelle Biografie und individuelle Bedürfnisse.
Seitdem Herzfeld vor drei Jahren die Wohnbereichsleitung übernommen hat, sind zu ihren Tätigkeiten in der Pflege auch viele administrative Aufgaben hinzugekommen. Dienstpläne schreiben, an Leiterkonferenzen teilnehmen, die detaillierte Dokumentation, welche Medikamente und Anwendungen jeder Bewohner erhalten hat. Trotzdem findet sie Zeit für Gespräche mit den Bewohnern. „Wir leben hier ja miteinander, haben einen gemeinsamen Alltag. Wir leiden mit, wir akzeptieren, wenn sich jemand mal ärgert oder Zeit für sich braucht. Und wir lachen und freuen uns miteinander“, sagt sie. Neben der professionellen Distanz gebe es auch eine professionelle Nähe.
Es ist dieser Kontakt, der von Herzen kommt und den Bewohnern gut tut, der aber auch Schwester Annas Leben bereichert. „Ich habe über die Jahre so viel von den alten Menschen gelernt. Das steht in keinem Lehrbuch“, sagt sie. Rezepte, Lebensweisheiten, Erziehungstipps oder Eheratschläge — so viel gebündelte Lebenserfahrung gibt es sonst wohl nur an wenigen Orten.
Zum Leben und Arbeiten im Altenheim gehört aber auch der Tod. Schwester Anna hat sich schon von vielen Bewohnern verabschieden müssen, die ihr ans Herz gewachsen waren. Routine wird das nie.
Halt und Trost findet sie in Gesprächen mit den Kollegen und der Klinikleitung. „Da darf auch gemeinsam geweint werden“, sagt sie: „Wenn wir aber sehen, dass der Mensch mit einem entspannten Gesichtsausdruck eingeschlafen ist, war es oft eine Erlösung.“
Schon früh drängte es Herzfeld in einen sozialen Beruf. „Mit 14 wollte ich Krankenschwester werden“, sagt sie. Dann machte sie doch eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin und schulte später um. „In die Pflege zu gehen, war die beste berufliche Entscheidung, die ich je getroffen habe“, sagt sie 29 Jahre später. Das sei nicht nur ein Beruf, sondern ihre Berufung. Deshalb hört die 59-Jährige nicht auf zu lernen, hat Fortbildungen in der Kinästhetik gemacht, um auch sehr schwere Menschen aufrichten oder umlegen zu können. „120 Kilo sind so kein Problem“, sagt sie. Die besonderen Hebetechniken schonen ihren Rücken. Um ihren Beruf ausüben zu können, muss Schwester Anna auch auf sich Acht geben.
Dass die Pflegebranche ein Nachwuchsproblem hat, liegt laut Herzfeld auch daran, dass der Beruf in der Öffentlichkeit oft falsch dargestellt wird. Ja, auch das Wechseln von Bettpfannen oder Einlagen gehöre zum Beruf. „Und nein, das ist nicht immer schön. Aber es ist nur ein Teil unseres Berufs“, sagt sie. Auch Beleidigungen, Aggressionen, manchmal Schläge müssen die Pflegenden einstecken. „Das ist häufig krankheitsbedingt. Wenn zum Beispiel Demenzkranke selbst merken, dass sie krank sind, kann sich die Hilflosigkeit in Aggression äußern“, erklärt Herzfeld. Viel wichtiger jedoch seien die vielen schönen Momente: Wenn Menschen im Pflegeheim wieder aufblühten, wenn Bewohner ihr liebevoll die Hand drückten. Dann wisse sie, dass sich die Mühe gelohnt hat.