Ein Experte für langen Weg aus der Sucht

Wolf-Christian Daub leitet seit neun Jahren eine freiwillige Selbsthilfegruppe für Alkoholiker in Lank.

Foto: C. Albustin

Zwei Jahre, so lange dauere die kritische Phase, sagt Wolf-Christian Daub, Diplom-Sozialpädagoge und Leiter einer freiwilligen Selbsthilfegruppe für Alkoholiker in Lank. Das erste Jahr sei vor allem eine Herausforderung gegenüber sich selbst, im zweiten Jahr gehe es darum, ein dickeres Fell zu entwickeln. Doch nicht nur der Betroffene selbst muss mit seinem neuen Ich klar kommen, sagt Daub, auch der Partner erlebe eine veränderte Person.

„Die Leute, die hier herkommen, haben gute Gründe zu trinken“, sagt Daub. Unangenehme Gespräche mit dem Chef, den Kollegen, dem Partner — die meisten Betroffenen seien sehr harmoniebedürftig. Wie und dass es auch ohne Alkohol geht, muss erst erlernt werden: „Mit dem Alkohol aufzuhören heißt, zu sich selbst zu finden.“ Damit gehe im Normalfall auch ein höheres Selbstbewusstsein einher. „Die Leute erwarten wieder was von ihrem Leben.“ Das sei für bestehende Beziehungen nicht immer einfach.

Eine echte körperliche Abhängigkeit brauche acht bis zehn Jahre intensiven Alkoholkonsums, die mentale Abhängigkeit dagegen entstehe schnell, erklärt Daub. In der Gegenrichtung ist es nicht anders: „Der körperliche Entzug, die Entgiftung, dauert zwei Wochen.“ Als „Käseglocke“ bezeichnet Daub die reizarme Umgebung in der Entzugsklinik, die eigentliche Arbeit beginne aber erst danach — zunächst die Entwöhnungsphase von sechs bis acht Wochen, im Anschluss daran die sogenannte Nachsorge. „Kritisch ist der letzte Schritt, der Übergang in die Realität.“ Die Konfrontation mit der gewohnten Umgebung und dem alltäglichen Stress führe schnell zum Rückfall.

„Das Schulterklopfen hört irgendwann auf“, sagt Daub. Er meint damit die Glückwünsche und guten Bekundungen von Verwandten und Freunden nach dem ersten Entzug, den ersten paar Wochen oder dem ersten geschafften Jahr. Bis dahin hat der Betroffene Zeit, sich zu wappnen — für eine Zeit ohne stetigen Zuspruch, wenn er nur mit sich selbst ausmachen muss, wie er weiter durchhält.

Den Werkzeugkoffer nennt Daub die möglichen Strategien, die er zusammen mit den Betroffenen in der Gruppe erarbeitet. „Vorher war die Belohnung immer Alkohol. Geht es mir schlecht, tröstet der Alkohol, geht es mir gut, geht es mir mit Alkohol noch besser.“

Die Mitglieder seiner Gruppe entwickeln, jeder für sich völlig unterschiedliche und individuelle Strategien. Manche machten Sport, zwei Damen strickten, eine andere besuche Ausstellungen und verreise gerne. Für den Ernstfall — wenn jemand jetzt sofort etwas trinken wolle — stellt Daub mit den Betroffenen eine Liste zusammen. Auf diese Liste kommen Notfallkontakte, Lieblingsaktivitäten und schlicht Dinge, die helfen sollen, auf andere Gedanken zu kommen.

Die Gruppe stehe während der ganzen Zeit als Parallelangebot zur Verfügung, sie sei aber kein Ersatz für das Entzugsprogramm: „Wenn jemand regelmäßig betrunken herkommt, schicken wir ihn auch wieder weg. Der ist noch nicht soweit.“ Daub, der selbst alkoholabhängig war, schaffte den Absprung bereits mit 29 Jahren. „Das sehe ich als Geschenk, dass ich so früh aufhören konnte.“

Von einem Rückfall dürfe man sich nicht abschrecken lassen, sondern daraus lernen, betont Daub. „In der Regel hat man die Ursache nicht mitbekommen, war nicht aufmerksam genug.“ Bei entsprechender Analyse passiere einem derselbe Fehler aber kein zweites Mal.