700 Gäste bei Sterbehilfe-Debatte
Minister Hermann Gröhe im Augustinus-Forum.
Neuss. Der Tod ist ein Thema, das jeden Menschen angeht. So verwunderte es nicht, dass alle 700 Plätze im Augustinus-Forum besetzt waren, als es um die Frage ging, wie man in Deutschland stirbt. An der Debatte über Sterbehilfe und Sterbebegleitung nahm unter anderem Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) teil. Er will sich für ein Verbot der organisierten Selbsttötungshilfe einsetzen. Und für eine Stärkung der Palliativmedizin und der Hospize. „Die Menschen haben vor allem Angst vor unerträglichen Schmerzen und davor, in Einsamkeit zu sterben“, berichtete Gröhe. Er bekam Applaus für seine Forderung: „Die Selbsttötungshilfe darf nicht zur Behandlungsvariante werden.“
Unterstützung erfuhr er auch von Professor Jens Encke, dem Ärztlichen Leiter des Darmkrebszentrums am Johanna-Etienne-Krankenhaus: Er vertritt die Auffassung, dass niemand qualvoll sterben müsse. Allerdings: „Die Möglichkeiten, dies zu verhindern, sind noch nicht ausreichend bekannt.“ Die Palliativmedizin, die die Aufgabe habe, Leid von Menschen fernzuhalten, stehe erst am Anfang. Encke ist für eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht: „Sie stoßen ein Gespräch mit dem Arzt und den Angehörigen an, was zu einer Enttabuisierung des Sterbens führt.“
Professorin Stella Reiter-Theil aus Basel, Diplom-Psychologin und Ethikerin, berichtete von einem Sterbehilfe-Modell im amerikanischen Bundesstaat Oregon: Dort dürfen Ärzte Menschen, die sich das Leben nehmen wollen, unter strengen Auflagen beistehen. Gleichzeitig wurden Palliativmedizin und Hospize massiv unterstützt. Die Zahl der Menschen, die aus dem Leben scheiden wollen, sei nicht sehr hoch: „Viele todkranke Patienten haben ein Rezept für das tödliche Mittel, lösen es aber nicht ein.“
Eine würdevolles Lebensende ist auch eine Kostenfrage. Moderatorin Judith Wolf, stellvertretende Leiterin der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim an der Ruhr, merkte an, dass in Deutschland die Aufwendungen für die Palliativmedizin in den vergangenen fünf Jahren um das Zehnfache gestiegen seien.
„Ich bekomme häufig Briefe — und zwar ausschließlich von Männern —, die schreiben, dass sie nicht auf fremde Hilfe bei der Pflege angewiesen sein wollen“, berichtete Gröhe. Pflege ist für ihn „die Bejahung zur Menschenwürde“. Für Encke spielen die Haus- und Fachärzte eine große Rolle vor dem Hintergrund, dass derzeit nur ein bis zwei Prozent der Menschen auf einer Palliativstation sterben: „Eine breite ambulante Versorgung ist wichtig, so dass eine Verlegung ins Krankenhaus am Lebensende nicht unbedingt erforderlich ist“, erklärte er.