Bio-Bauern fordern neue Standards
Landwirte, Händler und Umweltschützer diskutierten in der Auferstehungskirche über Wege, um Lebensmittelabfälle zu vermeiden.
Kaarst. Wie kann man vermeiden, dass viele Lebensmittel entsorgt werden, die gar nicht erst auf unseren Tellern landen? Das geht nur, wenn Verbraucher ihre Ansprüche senken und ein neuer Umgang mit Lebensmitteln entsteht. So die Erkenntnis des Diskussionsabends in der evangelischen Auferstehungskirche — der passende Rahmen für ein Problem, das auch unter ethischen Gesichtspunkten betrachtet werden muss.
Unter Leitung von Pfarrerin Annette Marianne Begemann diskutierten Vertreter der örtlichen Bauernschaft, des Einzelhandels und der Umweltbeauftragte der evangelischen Kirche miteinander. Dem Problem Lebensmittelverschwendung liegen verschiedene Ursachen zu Grunde, wie etwa Überproduktion. Um den „satten“ Verbrauchern eine möglichst große Palette an Produkten zu bieten und Bedürfnisse zu wecken, die er eigentlich nicht hat, wird zu viel produziert. Die Folge: Was nicht gekauft wird, landet häufig im Müll, vor allem, wenn es sich dem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) nähert. Das sei aber nur ein Richtwert der Industrie und bedeute keineswegs, dass die Lebensmittel nach Erreichen des Datums verdorben sind, betonen die Anwesenden. Thomas Röttcher nimmt laut eigener Aussage aus diesem Grund Lebensmittel einige Tage vor Ablauf des MHD aus dem Regal und lässt es der Tafel zukommen.
Ein weiteres Problem ist, dass die meisten Verbraucher nur „schöne“ Waren wollen. Dabei komme es auf den Geschmack an, sagt Beate Dolsak-Tasche vom Einzelhandel „bio.logisch“. Sie verkauft gute und „schlechte“ lose Ware — dadurch lande weniger in der Tonne. Zudem werden über eine App Tüten mit Resten angeboten. Sie hofft, dass Kunden ihre Erwartungen an die Waren senken.
Die eingeladenen Bio-Bauern setzen auf Direktvermarktung, um möglichst viel Lebensmittelmüll zu vermeiden: Petra Graute-Hannen vom Lammertzhof erklärte, der Verkauf loser Ware und die Akzeptanz der Kunden hinsichtlich einer großen Vielfalt unterschiedlich gewachsener Produkte sei enorm wichtig. Die aktuelle Trockenheit werde zum Beispiel eine ganz andere Ernte einbringen. Sie sieht die Lebensmittelverschwendung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe — wie wird gekocht und gegessen?
Birgit Pannenbecker vom Loosenhof, der sich auf Kartoffel-, Zwiebel- und Spargelanbau spezialisiert hat, erklärte, bei den Kartoffeln bevorzuge man regionale Vermarktung, Reste wandern zum Großmarkt, in die Stärkefabrik und Biogasanlage. „Darüber bin ich nicht glücklich — wir brauchen neue Wege für Mangelware“, meinte die Landwirtin. Sie forderte eine neue Definition von Qualitätsstandards, die oft von Großabnehmern vorgegeben würden. Zudem regte sie eine Belebung des Schulfachs „Ernährungslehre“ und besseres Haushalten mit Ressourcen an.
Hans-Christian Markert vom Verein „Lebensmittel-fair-teilen“ wünscht sich Orte, an denen Lebensmittel, die sonst weggeworfen werden würden, gegen Spenden abgenommen werden können. Wolfgang Weber, Umweltbeauftragter der evangelischen Kirche, möchte Menschen zum lokalen Einkauf bewegen und setzt auf B-Ware.