Altenpflege im Rhein-Kreis Neuss Schlechte Zahlungsmoral im Kreissozialamt?

Neuss · In einer landesweiten Umfrage durch den Bundesverband privater Träger sozialer Dienste schneidet der Kreis ganz schlecht ab. Grund sind hohe Rückstände und eine angeblich schlechte Zahlungsmoral. Der Kreis wehrt ich.

Wenn Menschen den Platz im Pflegeheim nicht selbst zahlen können, springt die öffentliche Hand ein. Doch die zahlt schlecht, behauptet ein Verband.

Foto: dpa/Christoph Schmidt

Wie steht es um die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand? Stellt man dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) diese Frage, lautet die Antwort: schlecht. Denn offenbar haben die Sozialämter allein bei den Trägern von Altenheimen, die dieser Dachverband in Nordrhein-Westfalen vertritt, Millionenschulden. Ganz vorne auf Platz fünf dieser Negativliste dabei: der Rhein-Kreis Neuss. Der alleine steht bei den privaten Trägern bpa zufolge mit 735.522 Euro in der Kreide. „Es geht nicht, dass man uns immer hintan stellt“, sagt Landesgeschäftsführerin Christine Strobel. „Das Ende der Fahnenstange ist erreicht.“

Basis dieser Rechnung ist eine Umfrage des Dachverbandes unter den mehr als 2300 Mitgliedseinrichtungen in NRW. Abgefragt wurden dabei nur Entgelte für Pflegebedürftige, die die Kosten ihrer Heimunterbringung aufgrund niedriger Renten nicht zahlen können, sodass das Sozialamt einspringt. Geantwortet und Summen genannt haben nur 200 Einrichtungen, die Außenstände in Höhe von zusammen zwölf Millionen Euro angaben.

Das zuständige Kreissozialamt könne diese Berechnung nicht nachvollziehen und die für den Rhein-Kreis genannte Zahl auch nicht bestätigen, sagt Kreis-Pressesprecher Benjamin Josephs. Er nimmt an, dass einfach alle Anträge, die auf Übernahme der Kosten gestellt wurden, als offene Forderung betrachtet und aufaddiert wurden. Dabei würde nicht jeder Antrag am Ende auch positiv beschieden, sagt Josephs, zum Beispiel, wenn noch Vermögen des Betroffenen da ist, das zuvorderst abgeschöpft wird, bevor die öffentliche Hand als Kostenträger einsteigt.

Richtig sei allerdings, dass beim Kreis noch eine Menge Anträge unbearbeitet liegen geblieben sind. 407 waren es zum Stichtag 1. September. Ein Grund dafür ist, dass die Bundesregierung zum Jahresanfang das so genannte Schonvermögen, dass der zu pflegenenden Person belassen wird, auf 10 000 Euro angehoben hat. Das habe zu einer Fülle von Neuanträgen geführt, sagt Josephs. Mitunter verhindert aber auch schlicht der Umstand eine schnellere Bearbeitung, dass die Betroffenen, deren Angehörige oder Betreuer nicht alle Unterlagen beigebracht haben.

Unbestritten aber ist, dass die Pflegeeinrichtungen in Vorleistung gehen. „Mit diesen unbezahlten Rechnungen verstärken die Kommen und Kreise die wirtschaftliche Drucksituation für die Pflegeeinrichtungen“, mahnt Bernhard Rappenhöner, der Landesvorsitzende von bpa. Er moniert, dass sich die Ämter über vereinbarte Zahlungsfristen einfach hinwegsetzen würden, „während die Einrichtungen pünktlich die Gehälter, Mieten, Steuern und Sozialabgaben zahlen müssen.“

Caritas im Rhein-Kreis durchleuchtet die Bilanzen

Er fordert die Behörden auf, im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch schon während der Bearbeitung eines Kostenübernahmeantrages Abschlagszahlungen an die Pflegeeinrichtungen vorzunehmen. „Multiple Risiken der Träger führen dazu, dass die Konten der Einrichtungen leer sind“, ergänzt Christine Strobel. Denn die Kostenerstattung ist nur eine Position.

Die Caritas im Rhein-Kreis hat aufgrund dieses Hilferufes die Abläufe und Bilanzen für ihre sieben Einrichtungen mit 630 Bewohnern noch einmal durchleuchtet, berichtet Vorstand Hermann Josef Thiel. „Wir haben keine großen Außenstände festgestellt.“ Allerdings dauere die Bearbeitung seitens der Ämter sehr lange. „Das ist unbefriedigend.“

Bernhard Gellrich, der als Vorstand für die Diakonie im Rhein-Kreis mit sechs Altenheimen spricht, kann über den Rhein-Kreis auch kaum schimpfen. „Unsere verzögerten Zahlungseingänge haben sich – im Vergleich zu den Vorjahren – nicht signifikant erhöht.“ Und wenn, dann hatte die Verzögerung meist Gründe, die beim Antragsteller zu suchen seien.

Wenn er Klage gegen die öffentliche Hand führen wollte, dann vor allem über die Finanzierung der Kitas durch das Land. „Uns fehlen monatlich für jede Vollzeitstelle in unseren Kitas 400 Euro, die nicht refinanziert sind“, sagt Gellrich – der diesen Betrag mit 250 multiplizieren muss.