Die Modekennerinnen von Grevenbroich

Gabriele Gertoberens und Liane Müller sind Expertinnen.

Foto: Salzburg

Grevenbroich. Als Gabriele Gertoberens in der 1980er Jahren aus Grevenbroich wegzog, trug sie kurze rote Haare und schnallte sich lilafarbene Latzhosen an. Das war natürlich nicht nur eine modische Botschaft, sondern auch eine politische. „Ich mochte damals die extreme Mode“, erzählt die 53-jährige Modistin. Und Vorkämpferin für die Rechte der Frauen war sie auch. Heute macht Gabriele Gertoberens wieder das Feld frei. Sie führt das Modecafé „Fräuleinswunder“ in der Innenstadt. „Man kann in Grevenbroich auch Sachen machen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht hier her passen“, sagt die erfahrenen Modedesignerin. Denn ein Café, wie sie es führt, kennen die meisten nur aus den Modemetropolen Köln oder Düsseldorf.

Eine, die für Grevenbroichs modische Seite steht wie keine andere und in der Schlossstadt beinahe neun modische Jahrzehnte erlebt hat, ist Liane Müller. Die Neuenhauserin ist 1929 in der Grevenbroicher Südstadt als „Werksmädchen“ geboren. „Mein Vater hatte eine kaufmännische Tätigkeit in den Erftwerken“, erzählt die 87-Jährige.

In den 1940er Jahren hatte sie schicke Faltenröcke an, dazu Bluse und Pullover. „Hosen durften wir damals weder in der Schule noch im Büro tragen“, erzählt die Neuenhauserin. In den 1950er Jahren trug sie runde Pettycoat-Röcke. Und in den 1960er Jahren konnte man dann schließlich alles tragen, was man wollte. „Ich habe alles gesehen“, sagt die Neuenhauserin. „Kurz, lang, noch kürzer.“ Und vieles davon hat sie aufgehoben.

Liane Müller hat in Neuss als Industriekauffrau gearbeitet. Für Mode und schöne Roben hat sie sich aber schon immer interessiert und mit ihren außergewöhnlichen Kleidern und Kostümen oft die Blicke auf sich gezogen. Noch heute hat sie viele Bewunderer. „Neulich haben mir zwei ältere Damen erzählt, dass sie mich früher um meine schönen Kleider beneidet haben“, erzählt Liane Müller. Ums Herausstechen ging es der 87-Jährigen aber nicht. „Ich fand das einfach schön.“ Wäre sie in einer anderen Zeit aufgewachsen, wäre sie sicher Modedesignerin geworden, sagt die Neuenhauser Modeikone. Viele ihrer Abendkleider und Kostüme hat die 87-Jährige selbst genäht. Eines ihrer Lieblingsstücke ist ein weißer Zweiteiler mit Blazer und perlenbesticktem Revers. „Daran habe ich bestimmt zwei Monate genäht.“ Wegschmeißen kann sie ihre Modeschätze deshalb nicht. Denn gerade das stört sie an der heutigen Mode: dass sie schnell und billig sei. „Viele Menschen tragen ihre Kleidung nur noch eine Saison und werfen sie dann weg.“

Aber gerade diese junge, günstige Mode fehle vielen Jugendlichen in der Stadt, weiß Gabriele Gertoberens. Dabei ist sich die Caféinhaberin sicher: Die Jugend ziehe es auch ohne Modeketten wie „Hennes und Mauritz“ instinktiv in die Großstädte, wo sie sich ohne Aufsicht der Eltern entfalten können. „Wir sind in Grevenbroich modisch ziemlich gut aufgestellt“, findet die Designerin. „Wir habe viele Traditionsgeschäfte, in denen man noch gut beraten wird“, sagt sie. Etwa das Ledergeschäft „Schnorrenberg“ oder die Modegeschäfte aus dem Hause Schlangen. „Grevenbroich war schon immer eine attraktive Modestadt und ist es nach wie vor“, sagt auch der ehemalige Eigentümer des Familienbetriebs Fred Schlangen.

Was Liane Müller heute in der Stadt vermisst, sind Stoffgeschäfte, denn ihre Kleidung näht sie noch immer selbst. Made in Grevenbroich. Die Liebe zur Mode hat sie an Tochter und Enkeltochter vererbt. Ihre Tochter Dagmar wurde als Teenager von Pelzdesigner Alfredo Pauly als Model entdeckt, und die Enkeltochter modelt bereits für den Schmuckhersteller Cartier.