Ein Shakespeare in ungarischer Sprache

Korijolánusz im Globe: Tosender Applaus nach anderthalb Stunden Theater.

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Neuss. Das Volk hungert, und vor den Toren der Stadt steht der Feind: Eine günstige Situation für den Karrieresprung eines starken Mannes von altem Adel. Er gewinnt die Schlacht und will auch innenpolitische Macht. Doch als das Volk ihm seine Anerkennung versagt, läuft er zum Gegner über und zieht gegen die alte Heimat in die Schlacht. Eine Situation, in der er nur verlieren kann. Doch als er die Waffen nieder legt, wird er wenig später ermordet.

Das ist die Geschichte von Coriolanus, wie William Shakespeare sie in seinem gleichnamigen Theaterstück erzählt. Vom Dichter in der Römerzeit angesiedelt, erscheint sie uns gleichwohl zeitnah und vertraut. Denn die Konflikte wischen den Wohlhabenden und den Armen, Herrschern und Volk, ziehen sich wie ein roter Faden durch Geschichte und Gegenwart.

Eine zeitgenössische Lesart stellte das ungarische Ensemble HOPPart am Samstag im Globe vor. Ihr Korijolánusz — nach Shakespeare in ungarischer Sprache mit deutschen Untertiteln — führt in die Zeit nach 1989 und ist damit die aktuellste Aufführung des diesjährigen Shakespeare-Festivals. Keine einfache Kost, die die Ungarn dem Publikum servierten. Doch die Mühe hat sich gelohnt: Nach gut anderthalb Stunden dichtem Theater mit emotionalen Höhepunkten, politischen Anspielungen und gekonnten Gesangseinlagen endete der Theaterabend mit langen, tosenden Beifall.

Der Regisseur Csaba Polgár gehört zu den Mitbegründern von HOPPart, die sich 2007 als Absolventen der Universität für Theater und Film in Budapest zusammenfanden. Die Welt ihres Korijolánusz kennen sie selbst sehr gut, schließlich gehören sie zu der Generation, die mit den Versprechungen der Wendezeit aufwuchs und vieles erleben musste, was sich im Stück niederschlägt: Helden aus alter Zeit, die in der Demokratie keinen Platz finden; neue Volksvertreter, die nur auf den eigenen Vorteil aus sind; eine Opposition, die letztlich mit „Bier und Wurst“ zufrieden ist.

Wie viel Shakespeare steckt überhaupt in ihrem Korijolánusz? Jede Menge, ist Polgár überzeugt: „Die Basis-Geschichte ist ungeheuer stark. Selbst, wenn man sie in hundert Stücke schlägt, bleibt sie noch immer erkennbar.“

So erweist sie sich auch als tragfähig für einen Brocken wie die letzten 20 Jahre ungarischer Geschichte. „Eine schwierige Zeit, weil wir mit dem Aufbau einer Demokratie begonnen haben, ohne zu wissen, was das überhaupt ist“, erklärt der Regisseur. Die Grundfragen der Zeit prägen auch seine Inszenierung. Wem steht die Macht im Staat zu? Ist überhaupt eine harmonische Gesellschaft möglich? Auf vorgefertigte Antworten verzichtet das Stück mit Absicht. „Das Beste, was geschehen kann, ist die Zuschauer zum Nachdenken zu bewegen.“