NRW Gründungen sind rückläufig

Neuss · Im Jahr 2020 gab es im Kreis weniger neue Selbstständige als 2019. Die IHK führt das auf die Corona-Pandemie zurück.  Je nach Branche variiert die Zahl der Gründungen aber stark. In Neuss ist sie insgesamt sogar gestiegen.

Gründer Bernd J. Schulze (3.v.l.), Koch Yann Blenert (2.v.l), IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz (r.) und IHK-Berater Pascal Görigk.

Foto: IHK/Andreas Baum

Der Plan stand schon vor Corona. Und so richtig zurück ging es für Ramona Koch und ihren Mann dann auch nicht mehr. Also gründeten die beiden den ersten Unverpacktladen in Neuss. Trotz pandemischer Zeiten. „Es läuft etwas schleppend, aber wir glauben weiter an unser Konzept“, sagt Koch heute, rund ein Jahr nach der Gründung.

Laut Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein, haben im vergangenen Jahr insgesamt aber weniger Menschen den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt als noch 2019. „Die Corona-Krise sorgt im Rhein-Kreis Neuss für ein Minus von vier Prozent“, heißt es im Gründerreport der IHK. 3206 Menschen haben sich 2020 im Rhein-Kreis Neuss selbstständig gemacht, 3340 waren es 2019. Im selben Zeitraum haben aber dafür weniger Menschen ihren Betrieb aufgegeben, sodass es insgesamt über 500 Firmen mehr im Kreis gibt, als noch 2019. Dennoch haben viele potenzielle Gründer ihre Pläne doch noch einmal zurückgestellt: „Wir haben in der Beratung festgestellt, dass von Vorhaben in diesen Branchen, die noch zu Beginn des Jahres 2020 geplant waren, Abstand genommen wurde“, erklärt Pascal Görigk, Berater für Existenzgründung und Unternehmensförderung bei der IHK.

Bernd Schulze hat den Schritt gewagt. Und zwar als die Pandemie bereits in vollem Gange war. Im September eröffnete er sein erstes eigenes Restaurant, das Dazumahl, „Es war Zeit für etwas anderes. Ich wollte mein Arbeits-, wie mein Privatleben selbstbestimmter gestalten“, sagt der Unternehmer, der früher Sales Manager im IT-Bereich war. Nach erfolgreichem Start seien allerdings die Umsätze eingebrochen. „Staatliche Hilfen kamen spät und nicht in dem Umfang, wie sie etablierte Unternehmen erhielten“, sagt Schulz. Trotzdem hat er sich durch Lieferservice und To-go-Angebote durch den Lockdown gerettet, hofft jetzt auf halbwegs normale Zeiten. „Auch wir hätten ohne unsere Stammkunden große Probleme bekommen“, erklärt Ladenbesitzerin Ramona Koch. Erst vor kurzem gegründete Unternehmen würden laut Michael Pulina, dem Leiter des Instituts für Entrepreneurship der Fachhochschule Köln, Studienort Neuss, besonders unter der Pandemie leiden. „Vielen ist die Finanzierung weggebrochen, auch Hilfen für junge Unternehmen griffen oft noch nicht“, sagt er. Zudem seien insbesondere im Offline-Handel Vertriebswege weggebrochen.

Gründerszene war 2019
gerade wieder im Aufschwung

Und das zu einem Zeitpunkt, als die Gründerszene 2019 erstmals seit 2013 wieder einen leichten Anstieg verzeichnen konnte. Zwar ist der Rückgang von vier Prozent nicht sonderlich hoch, allerdings, vermutet Pulina, dürfte der Rückgang bei den Start-Ups deutlicher sein. „Da spielt das Innovative eine große Rolle“, sagt er, „dadurch sind Start-Up-Gründungen oft risikoreicher, haben aber auch größere Wachstumschancen im Vergleich zur ‚normalen’ Selbstständigkeit’“. Er vermutet, dass es dauern wird, bis der Stand der Zeit vor Corona wieder erreicht wird. „Oft sind Krisenzeiten auch Gründerzeiten“, sagt Görigk von der IHK. Das sei bei diesem Mal allerdings anders gewesen, weil besonders beliebte Branchen, wie die Gastronomie oder der Einzelhandel, starken Einschränkungen ausgesetzt gewesen seien. Es gibt allerdings auch Bereiche, die trotz oder gerade wegen der Krise boomten. „Das sind zum einen Start-Ups die digitale Technologien fördern“, sagt Pulina. Zum anderen spielt aber auch das Thema Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle. Für Start-Ups sei das Alleinstellungsmerkmal wichtig. Setzt man sich von anderen Unternehmen ab, könne man auch in Krisenzeiten erfolgreich sein, besonders wenn man auf Onlineangebote setze.

Ramona Koch bereut ihre Gründung bisher nicht. Sie ist überzeugt, dass die Menschen nach der Zeit der Einschränkungen jetzt umso mehr Lust auf den stationären Handel haben. „Bei uns wird der Einkauf ja auch zum Erlebnis“, sagt sie. Im hauseigenen Café kann man dann nach dem Wocheneinkauf auch gleich eine Pause einlegen. Trotzdem: Auch Ramona Koch will ein Click and Collect-Angebot aufbauen, um noch mehr Menschen zu erreichen. Damit die Gründung in der Krise auch nach der Krise noch Bestand hat.