Kompass D - Die Unternehmerinitiative Kompass D ist ein Erfolgsmodell
Neuss. · Das Projekt zur Integration von Flüchtlingen hat über die Kreis-Grenzen hinaus Vorbildcharakter.
Im Herbst 2015, auf dem Höhepunkt einer nie gekannten Welle der Flüchtlingszuwanderung, gaben rund zwei Duzend Unternehmen aus Neuss und Nachbarschaft ein Signal, noch nicht wissend, wie deutlich es vernommen wird. Angestoßen von Anton Werhahn, dem damaligen Vorstandssprecher der Wilh. Werhahn KG, riefen die Firmen die Initiative Kompass D ins Leben. Sie hatte zum Ziel, möglichst viele Zuwanderer aus der Altersgruppe der 16- bis 25-Jährigen zu „Neu-Neussern“ zu machen. Sie sollten eine Lebensperspektive finden, die es ihnen erlaubt, durch eine berufliche Integration ein eigenbestimmtes Leben zu führen. Möglichst viele sollten idealerweise eine Ausbildung beginnen.
Jetzt zogen die Initiatoren Bilanz und – dies vorneweg – entschieden sich dazu, das Projekt fortzusetzen. Die Zahlen beeindrucken: Aus 142 Geflüchteten wurden Neu-Neusser, die sich erfolgreich integrieren. 42 von ihnen haben in Unternehmen im Rhein-Kreis Neuss eine Lehre begonnen. Annähernd 50 Unternehmen beteiligten sich, stellten zum Beispiel Praktikumsplätze zur Verfügung. Mehr als 20 von ihnen engagierten sich auch finanziell mit insgesamt fast einer Million Euro.
„Kompass D hat sich gelohnt und Resultate geliefert“, bilanziert Johann-Andreas Werhahn, Sprecher und Mitinitiator der Initiative, die vier zurückliegenden Jahre. Zunächst war das Projekt auf drei Jahre konzipiert und wurde dann um ein Jahr verlängert. Zu den messbaren Ergebnissen zählen nicht nur die erfolgreichen Aufnahmen in eine Lehrstelle. Einmal im Jahr erhielten die Teilnehmer Zeugnisse, die sie bei ihrer weiteren Berufsplanung nutzen können. Die Zertifikate enthalten Kopfnoten, die möglichen Arbeitgebern anzeigen, welche Fähigkeiten die Teilnehmer erworben haben, und Bewertungen der Teamfähigkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit.
Professorin lobt die
Initiative der Unternehmen
Rhein-Kreis und Stadt Neuss beteiligten sich ebenfalls an Kompass D – zum Beispiel mit Sachleistungen und Räumen, die sie etwa für Lernorte zur Verfügung stellten. Denn zum Konzept gehört ein Unterricht, in dem die angehenden „Neu-Neusser“ neben Deutsch auch Gesellschaftskunde und Informationen bekamen, wie Deutschland funktioniert. Erfolgreich sei die Initiative nicht nur, weil so viele Teilnehmer durchgehalten haben, sagte Werhahn. „Wir lernten Menschen mit überraschenden Talenten kennen, die wir ohne ihre Teilnahme an Kompass D nie gefunden hätten.“ Zudem sei Kompass D eine Marke geworden, die für ein soziales Engagement der Unternehmen durch persönliche Begegnung stehe.
Die Unternehmen hätten „ein starkes Signal gesetzt“, würdigte Bürgermeister Reiner Breuer die Initiative. Sie habe gerade in der Zeit ab 2015, als staatliche Institutionen überfordert waren, positiv gewirkt. „Die Initiative ist ein gutes Beispiel für eine gute Zusammenarbeit von Unternehmen und Staat.“ Landrat Hans-Jürgen Petrauschke vermutet, dass eine solche Zusammenarbeit nicht überall so gut funktionieren würde.
Das bestätigte Claudia Neu, Professorin an der Universität Göttingen mit Lehrstuhl für Soziologie ländlicher Räume, in einer Würdigung des Projektes. Es sei immer wieder als Vorbild genannt worden, wenn es um die berufliche Integration gehe. „Kompass D gehört zu den innovativen, erfolgreichen beruflichen Integrationsprojekten, die Modellcharakter haben“, lobte die Professorin die Initiative.
Zur Fortsetzung werden
120 000 Euro im Jahr benötigt
So fand Christoph Buchbender, Vorstandsmitglied der RheinLand-Gruppe, die sich ebenfalls engagiert, schnell weitere Mitstreiter für eine Fortsetzung. Neu an dem Projekt: Das Angebot errichtet sich nicht mehr nur an Flüchtlinge, sondern an alle jungen Menschen, die Förderung und Qualifizierung für ein selbstbestimmtes Leben benötigen. Der Auftrag lautet nun, für weitere drei Jahre Unternehmen und Ehrenamtler zu finden, die sich beteiligen. Um das Projekt auf bisherigem Niveau zu halten, werden Mittel in Höhe von 120 000 Euro im Jahr benötigt. So sollten auch ein bis zwei weitere hauptamtliche Stellen geschaffen werden. „Wir brauchen 30, 40 oder 50 Firmen, die mitmachen“, sagte Buchbender. Spontan entschieden sich bereits am Abend der Bilanz fast ein Dutzend Unternehmer sowie Stadt und Kreis dazu, auch künftig mitzuwirken – auch zur Freude des Mitinitiators Johann-Andreas Werhahn, der zuvor noch appellierte: „Vertrauen Sie uns weiter, empfehlen Sie uns weiter. Und reden Sie gut über uns.“