Gründertag mit „Fuckup Night“ in Neuss Aus den Fehlern anderer lernen
Neuss · Die größte Überraschung der fünften „Fuckup Night“ Neuss war Martin Stiller, Kämmerer und Dezernent im Rhein-Kreis Neuss. Der Wirtschaftsförderer erzählte auf der Bühne von seinem Scheitern als junger Startup-Unternehmer.
Zusammen mit einem Freund startete Stiller im April 2007 in Dortmund ein Unternehmen, über das man digital Lebensmittel bestellen sollte. Für die Auslieferung wurde eine diebstahlsichere Isolierbox entwickelt, die dem Kunden vor die Tür gestellt wurde. Mit Saughebern und Vorhängeschloss bliebe die Lieferung unangetastet. Der Kunde konnte mit einem Code die Box entschlüsseln. Doch das Patentamt entdeckte eine ähnliche Tresoridee aus den 1970er Jahren. Ohne Patent wäre die Idee sofort nachgeahmt worden. Die Jungunternehmer warfen die Flinte ins Korn. „Aber es war eine spannende Zeit“, sagt Stiller heute ohne Bedauern.
Jungen Unternehmensgründern in spe riet der Wirtschaftsförderer des Kreises, nicht so schnell aufzugeben und den Austausch zu suchen, ebenso Beratung bei der Wirtschaftsförderung vor Ort, beim Startercenter NRW oder der IHK.
Die Wirtschaftsförderung Rhein-Kreis Neuss und Funtastic4 hatten am Montag zuvor zum 28. Gründer- und Unternehmertag in den Gare du Neuss eingeladen. Dort waren tagsüber in einer kleinen Messe für Existenzgründer die Agentur für Arbeit, das Jobcenter, die Sparkasse Neuss mit Ständen vertreten, aber auch das Crefo-Factoring-Team, die Coachs von Jobinkubator, Circle of Life Akademie und CleverStarten, das Technologiezentrum Glehn oder Comply4all zur Compliance. Rund 250 Gäste ließen sich inspirieren und beraten. Der krönende Abschluss war aber die fünfte FuckUp Night am Abend.
Die Idee für die FuckUp Nights stammt aus Mexiko. Vier befreundete Unternehmer fragten sich 2012, warum Firmengründer in den USA erfolgreicher waren. Und sie kamen schnell auf den anderen Umgang mit Fehlern und Scheitern. So traf man sich abends beim Bier und tauschte sich über Misserfolge und gescheiterte Projekte aus. Die Idee schwappte bereits 2014 nach Deutschland über. Über das Scheitern sprechen soll keinen Voyeurismus bedienen, sondern animieren, aus Fehlern anderer zu lernen.
Drei Referenten waren dazu nach Neuss eingeladen worden, ihre Geschichte innerhalb von zwölf Minuten zu erzählen und sich anschließend den Fragen aus dem Publikum zu stellen. Oliver Plantenberg aus Düsseldorf berichtete von den Schwierigkeiten eines Produktentwicklers für Werbeartikel. Zum Beispiel eine Visitenkarte, die leuchten kann. Nach mehreren Prototypen wurden erste Serien ausgeliefert – und funktionierten nicht. Oliver Plantenberg: „Wir haben uns bis auf die Knochen blamiert“ – und einen sechsstelligen Betrag in den Sand gesetzt. Sein wichtigster Rat lautete, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen. Sein Unternehmen hat’s überlebt und verlorene Kunden zurückgewonnen.
Die größte Erfolgsgeschichte erzählte Daniel Marx von Urlaubsguru. Das Unternehmen in Holzwickede am Dortmunder Flughafen ist ein Pionier auf dem digitalen Reisemarkt. Als Spaßprojekt gemeinsam mit Daniel Krahn 2012 gegründet, wuchs das Unternehmen rasch. In den sozialen Medien herrschte Goldgräberstimmung. Es gelangten Coups wie New York-Tickets für 44 Euro oder drei Tage Budapest für sechs Euro. Doch die Expansion in andere europäische Länder lief schief, das Unternehmen wäre fast insolvent gegangen. Etliche Kündigungen von Mitarbeitern bescherten Marx schlaflose Nächte. Heute ist er 37, hat nicht verkauft, sondern weitergemacht.
Mit Marco Kremers stand erstmalig ein Handwerker auf der Bühne. Der 29-jährige Dachdecker aus Mönchengladbach machte sich 2018 selbständig – und war drei Jahre später pleite. Doch der Kampfsportler („Man bleibt nicht liegen.“) erfand sich neu und führt seit zwei Jahren das Unternehmen ecotope, eine Spezialfirma für Dachbegrünung. Ein spannender wie Mut machender Abend, durch den Moderator Christian Dasbach kurzweilig geführt hat.