Neuss: Stefanie Lang fühlt Pferden auf den Zahn

Die 23-jährige Neusserin gehört zu den wenigen Zahnpflegerinnen für Pferde. Gelernt hat sie ihren Beruf in Kanada.

<strong>Rhein-Kreis Neuss. Idefix ist wenige Minuten nach der Beruhigungsspritze im Reich der Träume. Jedenfalls ist das zu vermuten, denn seine Zunge hängt heraus und die Augen schauen müde aus. Der Kopf ruht auf einem Gestell. Stefanie Lang zieht seine schlaffen Lippen auseinander und setzt eine kleine Schleifmaschine an den angegilbten Vorderzähnen an. Es staubt und riecht ähnlich wie bei einem Hufschmied, nach verbranntem Horn - als wäre eine Haarsträhne ins Feuer geraten. Idefix zuckt nur kurz, während ihm die Maschine kreischend über die Zahnkanten gleitet. Stefanie Lang ist zufrieden.

Tierische Patienten müssen auch zur Zahnpflege

Das Gebiss von Idefix ist erstaunlich gut für ein Pferd in seinem Alter. 17 Jahre hat das ausgediente Turnierpferd auf dem Buckel. Auch wenn er nicht mehr antritt, ist es seiner Besitzerin Petra Guntermann wichtig, dass seine Zähne in Ordnung sind. Jedes Jahr wird das Gebiss daher kontrolliert. "Es ist nicht schwierig, einen Spezialisten für Pferdezähne zu finden, aber es ist schwer, jemanden zu finden, der wirklich gut ist", erklärt die Züchterin für Westernpferde und Warmblüter aus Kempen.

Derweil hat Stefanie Lang die Feile angesetzt. Mit einem Edelstahlstab kommt sie bis an die hinteren Backenzähne von Idefix. "Weil die Backenzähne der Pferde sich nicht richtig abreiben, die Zähne aber von unten nachschieben, bilden sich scharfe Kanten, die für Verletzungen und Entzündungen sorgen können", erklärt die Pferdezahnpflegerin.

Mit ihren 23 Jahren ist sie die jüngste ihrer Zunft in Deutschland. Freilich ist die Branche nicht sehr groß, nur ein paar Dutzend Spezialisten für Pferdezähne gibt es in Deutschland. Durch einen Stand bei der Pferdemesse Equitana war die Neusserin auf den Beruf aufmerksam geworden. "Das war genau das Richtige, weil ich auch schon eine mehrjährige Ausbildung zur Zahnarzthelferin angefangen hatte und seit jeher immer mit Pferden zu tun hatte."

Nach einigen Praktika entschloss sie sich, die Ausbildung zu beginnen - in Kanada, denn es gibt nur wenige unter den insgesamt fünf Schulen weltweit, die Wert auf die manuelle Arbeit an den Pferdezähnen legen. Nur vier Absolventen kommen jedes Jahr aus der Schule von Louis Pequin. "Die anderen Schulen bilden an Maschinen aus, aber da fehlt das Gefühl für den Zahn", meint Lang.

Mit 24 verschiedenen Feilen rückt sie den scharfen Kanten an den Backenzähnen nun zu Leibe, schleift Vorderzähne ab, damit sie sich nicht einseitig abnutzen und den Kiefer verschieben, zieht die so genannten Wolfszähne, die den Weisheitszähnen des Menschen ähneln, oder setzt Fohlen eine Beißplatte ein.

Neben der Trabrennbahn in Mönchengladbach betreut Lang viele private und gewerbliche Ställe, auch über NRW hinaus. "Im Oktober fahre ich zwei Wochen nach Norditalien, wo einige Pferdebesitzer mit mir einen Sammeltermin vereinbart haben, aber ich bin auch auf Visite in Griechenland und Spanien, wo viele deutsche Auswanderer leben", sagt sie. Selbst eine Anfrage aus Dubai kam vor einiger Zeit.