Neusser Auswanderer setzt in den USA die Segel

Kristian Isringhaus mauserte sich vom Gastmatrosen zum gefragten Experten. Jetzt lernt er für das Kapitänspatent.

Foto: Isringhaus

Neuss/New York. Fachkräftemangel hat auch in den USA viele Facetten, doch für ein damit verbundenes Problem gibt es eine Lösung aus Neuss: Kristian Isringhaus. Der 38-Jährige, der 2008 nach Amerika ausgewandert ist, hat sich dort einen Ruf als Experte für das Takeln historischer Segelschiffe erarbeitet. Das hat ihn jetzt nach New York verschlagen und soll ihn möglichst bald wieder auf See bringen. Denn da will er eigentlich hin. „Das Meer — es gibt keine entspanntere Atmosphäre um zu schreiben“, sagt Isringhaus, der am 31. März seinen zweiten Roman veröffentlicht.

„Weltenvirus“ hat Isringhaus den Thriller genannt, der seinen Lesern ein Wiedersehen mit den Figuren aus seinem 2013 nur als e-Book erschienenen Debüt-Roman „Virus“ ermöglicht. Die Idee für „Virus“ — einen Krimi über unerklärliche Todesfälle bei einem G8-Gipfel in dem fiktiven Ostsee-Dörfchen Petersdamm — hatte er schon im Gepäck, als er sich auf den Weg in die USA machte. Die Arbeit an dem Roman sollte ihn in der Zeit ausfüllen, in der der Neusser mit Linguistik-Studium noch keine Arbeitserlaubnis in seiner neuen Heimat haben würde. Aber dann kam es anders. Interessierte Verlage wollten ihn gängeln, den Roman „marktfähiger“ zu machen. Dem verwehrte sich der Autor — und sah sich bestätigt. Sein Roman erschien zwar später, schaffte es aber ohne solche Überarbeitungen in die „Top Ten“ der Amazon-Charts. Doch dann passierte noch etwas, was das Romanprojekt in den Hintergrund drängte: Der Werbetexter und Drehbuchautor lernte das Segeln und das Meer kennen.

Kristian Isringhaus

Bei einem Windjammertreffen auf den Großen Seen im Norden der USA sah er zum ersten Mal Großsegler unter vollen Segeln fahren. „Es gibt nichts Schöneres, als nur vom Wind getrieben übers Meer zu reisen“, sagt Isringhaus. Die Chance dazu bekam er zunächst als Gastmatrose an Bord der „Roald Amudsen“, auf der er bei diesem Großseglertreffen anheuern konnte. Einfach so. Nach dem zweiwöchigen Törn wechselte er auf einen Schoner aus Milwaukee — und er wurde dem Land immer fremder.

„Die Arbeit an Bord eines Seglers ist sehr hart, aber nicht schwer zu lernen“, sagt Isringhaus rückblickend. Die Heuer allerdings war kärglich, das Abenteuer sozusagen Teil der Bezahlung. Aber Isringhaus wollte sein Leben eh nicht als Großseglermatrose beschließen. „Drei, vier Fahrten habe ich nur angenommen, um die Takelage zu studieren“, sagt er. So schaute er sich auf See ab, wie Mast, Rahe, Segel, Wanten und Taue zusammengefügt sein müssen, damit ein Schiff funktioniert. „So bin ich offenbar zu einem seltenen Experten geworden“, sagt er.

Für seinen aktuellen Job musste er sich nicht bewerben. Er wurde nur gefragt, wann er Zeit hat, das in New York ankernde Museumsschiff „Wavertree“, ein 1885 für den Indienhandel gebautes Vollschiff, neu zu takeln. Er fuhr sofort. Denn an der „Oliver Hazard Perry“, dem ersten seit 100 Jahren in den USA neu gebauten Segler, konnte er gerade nicht weiterarbeiten. Ob er zu diesem Schiff zurückkehrt, weiß Isringhaus nicht. Denn eigentlich spart er auf einen eigenen Windjammer. „Für das Kapitänspatent lerne ich gerade“, sagt er.