Schützen feiern Sommermärchen
Bei herrlichem Wetter und vor voll besetzten Tribünen gingen gestern die farbenfrohen Inszenierungen über die Bühne.
Neuss. Shi Mingde will in China für Neuss werben. Volker Backs kann sich vorstellen, einmal als einfacher Schütze in einem Zug mitzumarschieren. Gestern „probten“ der chinesische Botschafter und der Geschäftsführer der deutschen Hydro Aluminium GmbH gemeinsam als sogenannte einmalige Ehrengäste beim Neusser Schützenfest. Das Ehrengast-Duo erlebte gestern ein wahres Sommermärchen: strahlendes Sommerwetter, voll besetzte Tribünen, begeisterte Zuschauer, farbenfrohe Inszenierungen. Die Botschaft, die Deutschland 2006 mit der Fußball-WM aussandte, die sendet nun elf Jahre später das Schützenfest für Neuss aus: Die Welt zu Gast bei (Schützen-) Freunden. Neben Chinas Botschafter in Berlin verlieh auch Maltas Gesandter Albert Friggieri als Gast im Rathaus der großen Königsparade internationales Flair.
Schützenkönig Christoph Napp-Saarbourg genoss seinen großen Auftritt. Mehr als 7700 Schützen und Musiker paradierten. Darunter auch René Matzner, der als neuer Jägermajor und jüngster Korpsführer eine tadellose Premiere hinlegte. „Der Adrenalinpegel sinkt wieder“, sagte er später. „Ich bin zufrieden. Mit mir und mit dem Jägerkorps.“
Obwohl das Regiment von Jahr zu Jahr wächst, war gestern die gesamte Parade in der WDR-Liveübertragung zu sehen — inklusive den Reitern als zehntes und letztes Korps. Die vier Minuten, die der Zeitplan überschritten wurde, gewährte der WDR gestern als Überziehungszeit. Das fanden auch die Moderatoren Thomas Vogel, der seit 1997 für den WDR aus Neuss vom Schützenfest berichtet, und sein Neusser Co-Moderator Herbert Breidenbach gut. „Bei Sonnenwetter und bester Stimmung hat die Parade einfach Spaß gemacht.“ Spaß hatte auch Oberpfarrer Guido Assmann, der in diesem Jahr beim Empfang im Rathaus erstmals von seiner Mutter Gertrud (79) begleitet wurde, die aus Radevormwald angereist war.
Uli Bolz, der neue Geschäftsleiter beim Schützenverein, atmete nach seiner ersten Parade hörbar auf. Alle Maßnahmen zur Sicherheit hätten gegriffen, bestätigte er. Unter anderem hat auch Möbel Höffner fünf Transporter kostenlos zur Verfügung gestellt, die an Kreuzungen die Zufahrt versperrten. Zum 17. und letzten Mal war Thomas Nickel als Präsident Gastgeber der Königsparade. Seine Kameraden versuchten, Abschiedsstimmung zu vermeiden, doch alle wussten um das „letzte Mal“. Nach seiner starken Rede, in der Thomas Nickel die Schützen als weltoffen und tolerant skizzierte, spendeten ihm Zuschauer und Schützen stehend großen Beifall. Heute wird er 70 Jahre alt.
Als Geschenk versteht es der Schützenpräsident, dass er morgen einen Wettstreit an der Vogelstange geben wird. Nach Thomas Gondorf (Zug „Götz von Berlichingen“) und Jochem Kirschbaum (Zug „Schwimmböxges“) hat sich nun auch Bernd Herten (Zug „Nix als Trabbel“) offiziell angemeldet. Ob damit alle Bewerber bekannt sind, ließ Thomas Nickel gestern noch offen. Ein vierter Kandidat habe in Aussicht gestellt, dass er sich heute vor dem Meldeschluss um 15 Uhr noch erklären werde.
Dann wird Botschafter Shi Mingde längst wieder in Peking sein. In seiner Heimat wird er vom Neusser Schützenfest berichten, dass er als offizieller Ehrengast besuchte, und in das er einen internen Blick werfen konnte. Bis nach Mitternacht saß der Diplomat am Samstag im Kreis des Schützenlustzuges „Nur so“ in privater Runde. Da war auch der deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen sein Gesprächspartner.