Spezialzug tauscht über Nacht Schwellen und Schienen aus
„Mammut“ nennt die Bahngruppe das Gefährt, mit dem sie in einer Stunde 220 Meter erneuern kann.
Neuss. Ganz langsam „frisst“ sich der Umbauzug von Schwelle zu Schwelle. „Mammut“ nennen die 20 Männer der Bahnbaugruppe das 770 PS starke Gefährt, das mit Hilfe zweier „Stoßzähne“ die alten Holzschwellen vorne aufnimmt. Es rattert, staubt und knirscht an dem Gleis, auf dem bis vor wenigen Stunden noch der RE 7 Richtung Krefeld rollte. Die Holzschwellen, die fest im Schotter verankert sind, haben ausgedient. Sie sollen durch neue Exemplare aus Beton ersetzt werden. Und zwar gleichzeitig mit den Schienen — auf einer Länge von insgesamt 16 Kilometern.
Jetzt fiel der Startschuss für den ersten Bauabschnitt zwischen dem Stellwerk „Weißenberg“ an der Gladbacher Straße und Meerbusch-Osterath. 5,8 Kilometer ist die Strecke lang, in drei Nachtschichten will die Bahnbaugruppe Schwellen, Schienen und teilweise auch Schotter ersetzen. „Wir sind guter Dinge, pro Stunde 220 Meter zu schaffen“, sagt Bauleiter Andrej Töws, der die Verantwortung trägt.
Die alten und neuen Schienen werden vorne mit Hilfe mehrerer Hydraulik-Greifarme millimetergenau eingefädelt und so über Kreuz gelegt, dass die Achsen des insgesamt 600 Meter langen Umbauzugs bereits nach 50 Metern wieder auf neuen Schienen fahren. „Die Schienenelemente sind jeweils 180 Meter lang. Die Länge ist nötig, um die Stahlstruktur beim Einfädeln nicht zu strapazieren“, erklärt Projektleiter Radovan Vuk.
Erstaunlich: Die Schienen und Schwellen werden in einem Arbeitsbereich von nur 40 Metern komplett gewechselt. Das ist für die Bahnbaugruppe, die bundesweit im Einsatz ist, immer wieder auch eine logistische Herausforderung. „Teil des Umbauzugs sind deshalb 17 Waggons, die mit insgesamt 3000 Betonschwellen beladen sind. Ein Kran liefert neue Schwellenpakete nach vorne und verlädt gleichzeitig die alten Holzschwellen hinten“, erklärt der leitende Bauüberwacher Tobias Ott. Tagsüber wird der Zug am Güterbahnhof neu beladen, abends geht die Arbeit am Gleis weiter. Der Umbauzug wiegt rund 1600 Tonnen und ist damit fast viermal so schwer wie ein voll beladener Jumbojet.
Für die Bahnbaugruppe als Tochter der DB Netz AG sind die Gleisbauarbeiten beinahe alltäglich. Von Routine spricht trotzdem kaum jemand. „Wir müssen auf jeder Baustelle neue Herausforderungen meistern“, erklärt Bauleiter Andrej Töws, der mit seinen Kollegen erst vor wenigen Tagen einen Gleisabschnitt zwischen Augsburg und Ulm erneuert hat. Verzögerungen plant er immer mit ein — und das aus gutem Grund. „Es kann immer etwas Unvorhersehbares passieren“, sagt er. Auch am Stellwerk „Weißenberg“ tauchte plötzlich ein großes Problem auf: Kurz bevor es losgehen sollte, riss der Zughaken eines Schwellenwaggons. „Wir mussten ihn erst auf einem anderen Gleis abstellen, ehe wir starten konnten. Das hat uns zwei Stunden Zeit gekostet“, sagt Projektleiter Radovan Vuk.
Aus der Ruhe bringt die Bahnbaugruppe das aber nicht. „Der Streckenabschnitt ist wegen seiner Länge recht lang gesperrt. Die Zeit holen wir wieder auf“, sagen die Profis unisono.