Steuerregen für die Stadt Neuss

Eine Firma zahlt 150 Millionen Euro Gewerbesteuer nach. Es steht aber nicht fest, ob Neuss jeden Cent behalten kann.

Neuss Dem Kämmerer ist ein Schatz in den Schoß gefallen. 150 Millionen Euro sind darin. Das Geld ging am Montag bei der Stadtkasse ein. Überwiesen wurde es von einem einzelnen Unternehmen, das damit eine Gewerbesteuerschuld tilgt. Über diesen enormen Geldsegen informierte gestern Abend Bürgermeister Reiner Breuer die Mitglieder des Hauptausschusses in nicht-öffentlicher Sitzung.

Die überwiesene Summe ist in vielfacher Hinsicht bemerkenswert. Einmal, weil sie fast ein Drittel des Gesamthaushaltes ausmacht, der in diesem Jahr 480,4 Millionen Euro auf der Ausgabenseite ausweist. Größter Brocken bei den Einnahmen ist die Gewerbesteuer, die 175 Millionen Euro ausmachen soll und damit neun Prozent über dem erzielten Ergebnis aus dem Jahr 2016 liegen wird. Zum Vergleich: Der größte Gewerbesteuerzahler bringt aktuell 20 Millionen jährlich ein. Auch das verdeutlicht die Dimension dieser Nachzahlung.

Von wem sie geleistet wurde, sagt der Bürgermeister nicht. Steuergeheimnis. Aber er warnte im Ausschuss vor allzu großer Euphorie. Der Gewerbesteuerbescheid sei noch nicht rechtskräftig veranlagt. In der Ratssitzung Ende des Monats, so seine Hoffnung, könne vielleicht mit mehr Klarheit gesagt werden, ob „der Steuer-Jackpot geknackt wurde.“ Das klingt, als wäre dann die Monatsfrist abgelaufen, in der das Unternehmen noch mit Rechtsmittel gegen den Bescheid aus der Kämmerei vorgehen kann.

ReinerBreuer, Bürgermeister

Aber auch danach ist nicht ausgeschlossen, dass die gesamte Summe oder ein Teil davon noch einmal erstattet werden muss. Weil Steuerzahlungen in einem solchen Fall mit sechs Prozent verzinst werden müssen, kämen im schlimmsten Fall 25 000 Euro Zinszahlungen auf die Stadt zu — täglich. Um dieses Risiko auszuschließen, wurde mit dem Unternehmen ein gegenseitiger Zinsverzicht ausgehandelt, sagt Breuer auf Nachfrage.

Aus der Tatsache, dass das Unternehmen gezahlt hat, bevor der Bescheid Rechtskraft erlangt hat, könnte man schließen, dass das Geld wohl bei der Stadt bleiben wird. Für den Fall mahnt Breuer schon jetzt einen verantwortungsvollen Umgang mit der neuen Situation an. Seine Vorstellung geht dahin, die Stadt mit einem Schlag schuldenfrei zu machen. Laut Haushaltsplan steht die Kernverwaltung — also ohne die Tochterunternehmen — mit 36,1 Millionen Euro bei den Banken in der Kreide. Auch Investitionen wären möglich, sagt Breuer. Den angestoßenen Prozess zur Haushaltskonsolidierung (strukturell fehlen dem Etat Jahr für Jahr zehn Millionen Euro) werde er mit den vielen Millionen nicht abwürgen — aber abfedern.

Fest steht allerdings, dass die Stadt das Geld wohl nicht ganz für sich behalten kann. Angesichts dieser Steuerkraft geht Breuer davon aus, dass Neuss 2018 die Kreisumlage mehr oder weniger alleine aufbringen muss. Aktuell zahlt Neuss rund 100 Millionen Euro jährlich. Das würde allerdings die anderen Kommunen im Kreis deutlich entlasten. Breuer: „Wir haben jetzt Probleme, von denen träumen andere.“