Forderung bei Aktionstag in Neuss „Tag für Retter“ wirbt für Respekt

Neuss. · Bei der Podiumsdiskussion wurden härtere Strafen für Angreifer gefordert.

Harald Zillikens (v.r.), Stefan Meuter, Heinz-Dieter Abels, Bernd Ramakers, Herbert Reul und Hans-Jürgen Petrauschke diskutierten auf dem Podium.

Foto: Andreas Woitschützke

Es waren Schilderungen, die bei allen Teilnehmern Fassungslosigkeit und blankes Entsetzen auslösten. „So kann es nicht weitergehen“, war aus jedem Statement auf der Bühne herauszuhören. Beim ersten „Tag für Retter“ im Konferenzzentrum der Firma Janssen in Rosellen widmete sich am Samstag ein zehnköpfiges Podium, moderiert von Wolfgang Meyer (WDR), dem Thema „Gewalt gegen Rettungskräfte“. Auf dem Hof waren Feuerwehr-, Polizei-, Malteser- und THW-Wagen aufgeboten. Auch die Notfallseelsorge war zur Stelle.

Bei diesem Thema Klartext zu sprechen, ist offenbar nicht die Regel. Tausende tätliche Angriffe, Belästigungen und Beleidigungen sind für Herbert Reul, nordrhein-westfalens Landesminister des Inneren, nicht mehr hinnehmbar. Er wünscht sich eine Welle im öffentlichen Bewusstsein, „wenn immer mehr Menschen Anstand und Respekt fehlen“. Eine erhebliche Dunkelziffer von Gewalttaten gegen Helfer vermutet Landrat Hans-Jürgen Petrauschke auch im Rhein-Kreis Neuss.

Notfallsanitäter Johannes Kohlen wurde selbst Opfer eines Angriffs. Ausgerechnet ein auf dem Boden liegender Patient schlug ihm mehrfach ins Gesicht. „Wir werden fast dafür bestraft, dass wir diesen Job machen“, klagt er. Immerhin hat er eine Kostenerstattung erhalten, doch der Strafantrag wurde irgendwann eingestellt. Auch Staatsanwältin Britta Zur, in Düsseldorf zuständig für Verfahren zum Nachteil für Einsatzkräfte, sieht Nachholbedarf: „Wir müssen aber zunächst etwas davon erfahren.“ Zeugen sollten sich melden und noch unter dem frischen Eindruck den Sachverhalt so detailliert wie möglich aufschreiben.

Der ehemalige Neusser Richter Heiner Cöllen nimmt angesichts der grassierenden Verrohung kein Blatt vor den Mund. Rettungssanitäter, Lehrer und Schaffner benennt er als Kläger: „Viele Verfahren werden eingestellt oder es gibt sehr milde Urteile.“

Den Opfern würde man nicht gerecht, wenn es an der Konsequenz fehle, auch in die zweite Instanz zu gehen. Für die Medien ist das Thema alles andere als ein Ruhmesblatt. Es gäbe sogar die hanebüchene Behauptung, dass die Gewalt der Polizisten zunähme. Haarsträubend ist das Beispiel einer gesetzesfernen Großfamilie. Heiner Cöllen dazu: „Im Privatfernsehen wird sie hochgelobt, und bei uns vor Gericht sind einige davon Dauerkunden.“

Kunsttherapeutin Rabea Müller fordert Respekt ein und sagt: „Es mangelt an Wertevermittlung.“ Kurz: „Gewalt sollte als drängendes Problem präsenter sein.“ Der Neusser Landtagsabgeordnete Jörg Geerlings (CDU) wird deutlich und fordert, „Straftatbestände zu „schaffen und Strafverschärfung zu etablieren“.  Dass die Justiz „bisher zu lasch agiere, kritisiert Bernd Ramakers, Vorsitzender des Kreis-Rettungs-Ausschusses.

Marc Zellerhoff, Ärztlicher Leiter im Rettungsdienst, setzt direkt bei den Rettungsdiensten an, die im Einsatz einiges anders machen müssten. Schulungen könnten sich darauf konzentrieren, hochschaukelnde Situationen zu beherrschen. „Mehr Einsatzkräfte allein bringen es nicht“, befindet Minister Reul abschließend, aber das Gefühl für Recht und Unrecht müsse gestärkt werden.

Auf Kommunikation und Deeskalation komme es an, lautete die Botschaft. Stefan Meuter geht es vor allem um die Rettungskräfte: „Die Zeiten, in denen sich niemand um uns kümmerte, sind vorbei.“