Zuviel für den Solidarpakt gezahlt
Verfassungsgerichtshof gibt Neuss und 90 anderen klagenden Städten Recht.
Neuss/Münster. Der Name klingt sperrig, die Thematik ist kompliziert, die Entscheidung eindeutig. Am Dienstag hat der Verfassungsgerichtshof NRW in Münster entschieden: Das Einheitslastenabrechnungsgesetz vom Februar 2010 ist verfassungswidrig. Gegen dieses Gesetz hatten 91 Städte und Gemeinden geklagt, darunter auch Neuss und Grevenbroich.
Es geht um die Zahlungen der Länder an den Solidarpakt Ost. Der Bund hatte festgesetzt, dass die Städte zu etwa 40 Prozent an den Zahlungen des jeweiligen Landes beteiligt werden können.
Unter der schwarz-gelben Landesregierung von Jürgen Rüttgers war die Systematik dieser Berechnungen für die Jahre 2007 bis 2019 neu geregelt worden. Schon 2010 klagten dagegen Städte und Gemeinden mit dem Argument, sie würden durch die Berechnungssystematik benachteiligt — und müssten mehr zahlen, als es das Bundesgesetz vorsehe. Damals gab der Verfassungsgerichtshof den Städten weitgehend Recht.
Stadtkämmerer Frank Gensler erinnert an die Folgen: Schlechte Erfahrungen habe die Stadt nach diesem ersten Erfolg gemacht. Das Land zahlte nicht zurück, es verlangte vielmehr Nachzahlungen. Die Kommunen klagten erneut, das Land stundete bis zu einer Entscheidung die Beträge, Neuss stellte die entsprechende Summe der 1,3 Millionen Euro geforderter Nachzahlung im Haushalt 2011 zurück.
Dienstag nun die Entscheidung. Das Landesgesetz von 2010 werde der bundesrechtlich vorgesehenen Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden „nicht gerecht und verletzt das Recht auf kommunale Selbstverwaltung“, so das Gericht unter Leitung des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs, Michael Bertrams.
Das Gesetz verletze die kommunale Finanzausstattungsgarantie, weil den Kommunen dadurch Mittel vorenthalten würden, die ihnen kraft Bundesrecht zustünden. Laut Urteil berechnete das Land 2010 den Anteil der Kommunen auf einer falschen Grundlage — zum eigenen finanziellen Vorteil.
Auch den Neusser Stadtkämmerer freut diese Bestätigung. Dass die Stadt nun postwendend mit einer Erstattung rechnen kann, ist allerdings unwahrscheinlich. Frank Gensler geht davon aus, dass man zumindest die Rückstellung von 1,3 Millionen Euro ausbuchen könne. Er stellt aber auch klar: Grundsätzlich halten die Kommunen die Zahlungen in Sachen Deutsche Einheit für rechtmäßig. Es gehe nur um den gerechten, gesetzesmäßigen Anteil — eine drängende Aufgabe für die künftige Landesregierung.