Lesung von Hans Dieter Knebel Ein musikalischer und literarischer Hochgenuss in Schwelm

Schwelm · Der Schauspieler liest über ein bedeutendes Ereignis der Musikgeschichte.

Gudrun Fuß (l.) und Kaung-Ae Lee sorgten für die musikalische Begleitung der Lesung von Hans Dieter Knebel.

Foto: Lilo Ingenlath-Gegic

„Händel im Haus Martfeld“ – eine Veranstaltung, die mit Recht als „Sternstunde“ tituliert wurde, denn die Organisatorin Lilo Ingenlath-Gegic hatte die Musik des großen Komponisten Georg Friedrich Händel (1685 – 1759) mit der meisterhaften Schilderung „Händels Auferstehung“ von Stefan Zweig zu einem kulturellen Hochgenuss werden lassen.

Im Festsaal von Haus Martfeld intonierte das aufeinander abgestimmte Duo Kaun-Ae Lee (Cembalo) und Gudrun Fuß (Viola da Gamba) elf Werke des Meisters, und der gebürtige Schwelmer, der Burgschauspieler Hans Dieter Knebel las aus der Erzählung von Stefan Zweig und fesselte im vollbesetzten Saal die Zuhörerschaft mit seiner emphatischen Schilderung auf geradezu faszinierende Weise.

Erschüttert erfuhr das Publikum, wie der große, kraftstrotzende Händel in seiner Wahlheimat London 1737 einen Schlaganfall erlitt, wie sein Arzt Dr. Jenkins die düstere Prognose „Den Mann kann man vielleicht erhalten, den Musikus haben wir verloren“, stellte. Die mitreißende Sprache, untermalt durch plastische Gesten, ließen die Zuhörerinnen und Zuhörer mitleiden, als Händel vier Monate kaum noch ein Glied rühren konnte, finanziell ruiniert und trotz seiner früheren Erfolge vereinsamt, jeglicher Schaffenskraft beraubt, ein Dasein in tiefer Verzweiflung fristete.

Einfühlsam dazu die Musik des Meisters, die mit der dramatischen Schilderung seines schier hoffnungslosen Lebens verschmolz, als handele es sich bei den drei virtuosen Künstlern um ein eingespieltes Team. „Wir arbeiten zum ersten Mal mit Hans Dieter Knebel zusammen“, berichtete Gudrun Fuß, gestand aber, dass sie den gemeinsamen Auftritt im Haus Martfeld als Glücksfall ansieht.

Eine Lesung kann auch körperliche Arbeit bedeuten

Und das kam auch in den rund anderthalb Stunden zum Ausdruck, als Knebel plastisch schilderte, wie in Händel nach vier Monaten auf dem Krankenlager ohne jegliche Schaffenskraft der Lebenswille erwachte und er allmählich wieder ins Leben zurückfand. „Aus dem Hades bin ich zurückgekommen“, er aber auf menschliche Kälte traf und ständig mit den angewachsenen Schulden konfrontiert wurde. „Wozu hat Gott mich auferstehen lassen, wenn die Menschen mich begraben?“, wird der Meister zitiert, glänzend interpretiert durch den Burgschauspieler, an dessen Lippen das Publikum gebannt hing. Wer sah, mit welcher Hingabe, welchem Elan Hans Dieter Knebel seinen Text vortrug, der glaubte gern, dass auch eine Lesung körperliche Arbeit bedeuten kann. „Die Menschen meinen, dass das doch nur eine Lesung sei, aber wenn man mitreißen will, dann geht das nur mit vollem Einsatz“, erklärte der Schwelmer, der schon als Jugendlicher in der Evangelischen Laienspielschar sein Debüt als Schauspieler gegeben hatte und über das Bochumer Schauspielhaus mit dem Intendanten Claus Peymann schon 1986 zum Wiener Burgtheater ging und nun mit sichtlicher Freude in seiner alten Heimat in Schwelms „guter Stube“, dem Haus Martfeld, aufgetreten ist.

Hatte Georg Friedrich Händels Körper dank seines unbändigen Überlebenswillens wieder Kraft geschöpft, so feierte der Komponist mit dem „Messias“, das Werk, das ihn unsterblich gemacht hat, seine tatsächliche Auferstehung.

Mit der Besessenheit des Genies stürzte er sich nach dem Studium des eher zufällig erhaltenen Manuskripts in die Arbeit, reduzierte sein Essen auf eine flüchtige Nahrungsaufnahme, war für niemanden zu sprechen und reagierte auf unwillkommene Störung mit ungehaltenen Knurrlauten. Händel lebte drei Wochen lang in seiner eigenen Welt. Das Werk, der Messias, nahm den Künstler total gefangen. Er verließ sein Zimmer kaum, Besucher wurden von seinem Adlatus abgewiesen. Bis das Oratorium vollendet war.

Dass die Besucher die Schaffensphasen des „Messias“ miterlebten, war aber nicht nur der Sprachgewalt Stefan Zweigs und deren ausdrucksstarken Interpreten Knebel zu verdanken, sondern auch den sensiblen Klängen der beiden Musikerinnen Kaung-Ae Lee und Gudrun Fuß, die Händels Werke und dessen jeweilige Stimmung so wiedergaben, dass Wort und Klang eine Einheit bildeten, die das sachkundige Publikum restlos begeisterte.

Vier oder fünf „Vorhänge“ für die drei Künstlerinnen und den Künstler, und Sonnenblumen überreicht durch Lilo Ingenlath-Gegic, die das Kulturleben der Stadt schon mehrfach mit ihren Ideen und Beiträgen bereichert hat.

Übrigens war es ein Kunstgenuss bei freiem Eintritt. Möglich, weil die Kulturförderung des Ennepe-Ruhr-Kreies die „Sternstunde“ zu 70 Prozent finanziell unterstützte, die Wilhelm-Erfurt-Stiftung 15 Prozent der Kosten übernahm und die Stadt Schwelm die Räume im Haus Martfeld für Proben und Veranstaltung zur Verfügung gestellt hatte.

Die am Schluss der Veranstaltung eingenommenen Spenden von 715 Euro kommen den Fördervereinen der Stadtbücherei und der Städtischen Musikschule zugute.