Sprockhövel ist beim Thema Groko uneins

Politiker und Verwaltung sehen Tauziehen um die Große Koalition in Berlin kritisch.

Foto: Fries/Bartsch

Sprockhövel. Rund 520 Straßenkilometer sind es vom Sprockhöveler Rathaus bis zum Bundestag in Berlin — seit Ende September vergangenen Jahres dauert die Bildung der neuen Bundesregierung an. Und auch wenn die deutsche Hauptstadt mit ihrem Politikbetrieb von den Niederungen der hiesigen Lokalpolitik weit entfernt ist, beschäftigt das Tauziehen um die Bildung einer neuen Großen Koalition (landläufig mittlerweile als „Groko“ bekannt) auch die Parteivertreter in Verwaltung und Stadtrat.

Vergleichsweise distanziert kann Bürgermeister Ulli Winkelmann die Regierungsbildung verfolgen. Als parteiloses Stadtoberhaupt möchte er sich zu den Vorgängen in Berlin auf Nachfrage nicht äußern.

Anders verhält es sich da beim Beigeordneten Volker Hoven — er ist SPD-Mitglied, und als Genosse schlagen „zwei Herzen in meiner Brust“, sagt er auf WZ-Anfrage. In seiner Funktion als Beigeordneter wünscht er sich, dass Deutschland nun möglichst schnell eine „stabile Regierung“ bekommt. Als SPD-Mitglied sieht er die erneute Beteiligung seiner Partei an einer Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) höchst problematisch. Bei dem Mitgliederentscheid der SPD zu dem Thema, der noch bis Anfang März läuft, rechnet er mit einer „ganz knappen“ Entscheidung. Eigentlich wäre es ihm lieber, wenn die SPD sich in der Opposition wieder sammeln würde.

Zugleich räumt der Beigeordnete und Kämmerer aber auch ein, dass wegen der andauernden Regierungsbildung von der geschäftsführenden Bundesregierung derzeit zu wenig gestaltet wird. Es fehle an Bewegung, zugleich müssten wichtige Fragen unter anderem zur Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen geklärt werden. Gerade in einem Ballungsgebiet wie Nordrhein-Westfalen gebe es „viele Herausforderungen“, die bewältigt werden müssten.

Etwas klarer auf Kurs „Pro Groko“ liegt dagegen der SPD-Fraktionschef in Stadtrat, Wolfram Junge. Zwar sei auch er nach dem desaströsen Ergebnis der SPD bei der Bundestagswahl von Ende September zunächst dafür gewesen, dass seine Partei in die Opposition gehe. Mittlerweile nehme er in der Frage aber eine „differenziertere Sicht“ ein, sagt Junge. Es unterstütze nun die Pläne für eine Neuauflage der Groko in Berlin. Der vor allem von den Jusos favorisierte Gang in die Opposition sei für ihn dagegen ein „No-Go“, betont der Fraktionschef. Ein solcher Schritt wäre — auch vor dem Hintergrund einer dann vermutlich anstehenden Neuwahl — „absolut fatal“ für die Partei.

Er rechne damit, dass die SPD-Mitglieder den Gang in die Groko mehrheitlich zustimmen, sagt Junge. Über den parteipolitischen Schlingerkurs der SPD der vergangenen Monate kann er freilich nur den Kopf schütteln. „Es ist schade, dass auf der Führungsebene solche Dinge passiert sind“, erklärt er. Durch die widersprüchlichen Aussagen von Martin Schulz — Regierungsbeteiligung ja oder nein, Ministerposten ja oder nein — habe es einen großen Vertrauensverlust in der Bevölkerung und auch an der Parteibasis gegeben. Zum Glück werde immerhin die allgemeine politische Arbeit vor Ort dadurch nicht belastet.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Torsten Schulte zeigt sich „froh“, dass mit dem Koalitionsvertrag nun ein Ergebnis vorliegt. Es sei „kein Freund einer Minderheitsregierung“, sondern begrüße es, wenn es eine breite Basis für eine mehrheitsfähige Regierung gebe. Auch und gerade im Verhältnis zu anderen Staaten sei es wichtig, dass Deutschland eine arbeitsfähige Regierung habe.

Mit Blick auf die Zuweisung der Ministerposten für die CDU weist Schulte den Vorwurf zurück, dass seine Partei schlecht weggekommen sei. Die CDU habe alle Ministerien erhalten, die sich mit wichtigen Themen wie Infrastruktur oder Digitalisierung befassten, sagt er. Im Übrigen sei es so, dass der Abschluss eines Koalitionsvertrages auch Kompromisse erfordere. Man dürfe die Arbeit der potenziellen neuen Groko überdies nicht jetzt schon zu negativ einschätzen: „Wir müssen der Regierung und dem neuen Team eine Chance geben“, sagt der CDU-Fraktionschef.