Künstler während Corona Podcast über Künstler und Corona
Sprockhövel. · Philipp Kersting will Künstlern im EN-Kreis ein Sprachrohr geben. Denn gerade bei den Musikern ist durch Corona einiges aus dem Lot geraten.
Normalerweise macht Philipp Kersting Musik. Bekannt ist er in Sprockhövel und Umgebung für die „Flotten Locken“ und viele Projekte mit Kindern. Der Musiker, Sänger und „multikreative Soloselbstständige“, wie er über sich selbst sagt, darf zurzeit nicht auftreten. So wie die meisten Künstler und Kulturschaffenden. In Deutschland betrifft das etwa 1,5 Millionen Menschen. Als die Landesregierung im August 15 000 Künstlerstipendien ausschrieb, bewarb sich Kersting und bekam den Zuschlag. Damit konnte er die notwendige Technik finanzieren, mit der er nun seinen Podcast professionell produzieren kann. „Es ist eine Chance, die Zeit sinnvoll zu nutzen und sich anders aufzustellen“, sagt Philipp Kersting.
Der Podcast mit dem Titel „Musik kann mehr! Der Künstlertalk“ dreht sich um Musiker während der Corona-Krise. „Das, was sich mache, gab es noch nicht“, sagt Kersting, der schon lange eine ausführliche Interviewreihe machen wollte. Seit Anfang Dezember erscheint wöchentlich ein Gespräch mit Musikern, die Einblick in ihr Leben als Künstler geben. „In der Arbeitswelt von freischaffenden Künstlern gibt es keine verlässlichen Einnahmen. Die Arbeit vermischt sich stark mit dem Privaten“, sagt Philipp Kersting. Die Gäste erzählen, wie es ihnen während der Corona-Krise geht. Als Roter Faden dienen die Themenblöcke Beruf und Berufung, Corona, Hilfsangebote und -programme für Künstler sowie Kreativität und die Motivation, als Künstler auf die Bühne zu gehen.
Gerade das fehlende Publikum ist für viele Musiker ein wichtiger Faktor. Die Sängerin Lea Bergen aus Schwelm hatte 2020 wegen der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus fast alle Aufträge verloren. Als sie bei zwei Autokino-Konzerten auftreten durfte, wurde ihr erst bewusst, wie sehr ihr Live-Konzerte fehlen. Der Gitarrist Julian Cassel aus Hattingen war früher Teil der Band „Frida Gold“ und ist schon mit Schlagersängerin Maite Kelly durch Deutschland getourt. 2020 hatte er zwar Auftritte für ein Online-Angebot, „aber diese fühlten sich so an wie eine Bandprobe“, sagt Cassel im Podcast. Die Interaktion mit dem Publikum fehle in diesem Format. „Es baut sich nichts auf. Die Ebene des Gefühls fehlt und die macht es aus“, findet auch Kersting.
Philipp Kersting hatte eigentlich ganz andere Pläne für 2020. Corona machte ihm einen dicken Strich durch die Rechnung. „Ich bin am 1. März in eine Band eingestiegen, die 100 Auftritte im Jahr hat“, sagt der zweifache Vater. Endlich habe er sich Anfang des Jahres nicht einen Kopf machen müssen, womit er in diesem Jahr sein Geld verdient.
Doch nach dem ersten Auftritt Mitte März war direkt wieder Schluss: Im ersten Lockdown wurde das öffentliche Leben heruntergefahren. „Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich hatte Instrumente gekauft und mir das Repertoire angeeignet“, sagt Kersting. „Das haben alle nicht gut verpackt.“ Im Sommer gab es zwar ein paar Auftritte, aber es sei klar gewesen, dass es im Herbst und Winter wieder ruhig werden würde.
Mit dem Stipendium will Kersting seinen Künstlerkollegen ein Sprachrohr geben. „Man kennt meist nur die Bühnenfigur, aber nicht den Hintergrund“, sagt er. Die Gäste erzählen im Podcast, wie sie leben und arbeiten und wie viel Arbeit in einem Auftritt steckt. „Der Podcast hat den Vorteil, dass ich Fragen stellen kann, die man sonst nicht stellt“, sagt Kersting, für den der Austausch mit Kollegen „einen kleinen therapeutischen Effekt“ hat. Er merke, dass er mit den Problemen, die die Situation mit sich bringt, nicht alleine ist.
Zum Beispiel das fehlende Einkommen: Musiker sind Solo-Selbstständige, die Geld mit Live-Auftritten verdienen. Nach eigenen Angaben hatte Philipp Kersting durch die Maßnahmen rund um die Corona-Pandemie 2020 Einnahmeausfälle in Höhe von mehr als 35 000 Euro. Das Stipendium in Höhe von 7000 Euro deckt nur ein Fünftel der Summe ab. Die im April erhaltene Soforthilfe in Höhe von 9000 Euro hat er bereits im Juni wieder zurückgezahlt, da das Land NRW die Bedingungen nachträglich geändert hat.
Doch Philipp Kersting bleibt positiv. Die Zeit, in der er nicht als Musiker auf der Bühne stehen kann, will er für Investitionen nutzen. Seine Hoffnung ist, dass der Podcast neue Aufträge generiert. „Ich produziere inzwischen schon einen Podcast für jemand anderen“, sagt Kersting, der den Künstlertalk auch als Referenz für Sprecher- und Moderatorenjobs sieht. Wie es mit der Musik weitergeht, steht derzeit in den Sternen, aber Philipp Kersting „hat schon neue Ideen in der Schublade liegen“.