Wenig Interesse am alten Ziffernblatt
Bei der Versteigerung kommen nur 600 Euro für die Kirche zusammen.
Sprockhövel. Enttäuscht schaut Ulrich Pätzold-Jäger in die Runde. Der Auktionator hatte sich deutlich mehr Publikum gewünscht. Insgesamt 51 Bierkrüge und ein altes Zifferblatt sollten am Samstagabend unter den Hammer kommen und möglichst viel Geld in die Gemeindekasse spülen, damit im kommenden Jahr mit der Dachsanierung der Zwiebelturmkirche begonnen werden kann. Doch das Interesse ist mau.
Allein 30 Krüge stammen aus der privaten Sammlung der früheren Stadtführerin Inge Haack. Sie alle zeigen Motive aus dem Bergbau und stammen aus der polnischen Bergbauakademie Krakau, zu der Sprockhövel seit vielen Jahren freundschaftliche Beziehungen pflegt. „Bei Festivitäten ist aus jedem dieser Krüge auch getrunken worden“, preist Ulrich Pätzold-Jäger die Unikate an. Das Startgebot liegt bei einem Euro. Doch auf den Kirchenbänken regt sich nichts. Nach mehreren vergeblichen Versuchen endlich ein Gebot. Diesmal sind gleich zwei Interessenten bereit, zwei Euro für einen Krug zu berappen. Beim nächsten scheint die Versteigerung endlich in Gang zu kommen. Es werden drei, vier, fünf Euro geboten. Den Besuchern scheint das Geschehen Spaß zu machen. Schließlich wechselt das gute Stück für acht Euro den Besitzer. Dann wieder Ebbe.
Ulrich Pätzold-Jäger müht sich redlich, lockt, preist an, redet sich wahrlich den Mund fusselig (muss zwischendurch sogar um ein Glas Wasser bitten) aber - nichts. Die Krüge werden wieder eingepackt. „In einem anderen Rahmen bringen sie bestimmt Geld“, glaubt der engagierte Auktionator und will bei anderer Gelegenheit noch einmal sein Glück versuchen.
Also wird das rund 50 Kilogramm schwere Zifferblatt in die Kirche gerollt. Bis Herbst letzten Jahres hing es noch in luftiger Höhe und zeigte den Sprockhövelern die Zeit an. Unterbrochen von mehreren Überholungen immerhin seit 1891. Das beweist eine Rechnung, die Kirchenarchivar Ulrich Sdroyek ausgegraben hat. Insgesamt vier Zifferblätter wurden am 26. April 1891 zum Preis von 1145 Mark von einer Bochumer Firma an die Gemeinde ausgeliefert. Der Sprockhöveler weiß noch mehr über die 1,26 Meter große Scheibe zu berichten. „Das Zifferblatt besteht aus verzinktem Eisenblech und war ursprünglich weiß gestrichen mit schwarzen Ziffern.“ Eine weitere Rechnung belegt, dass die Scheibe im Jahr 1966 entrostet wurde. Gleichzeitig wurden Ziffern und Zeiger vergoldet. „Das wäre doch ein ausgefallener Wandschmuck oder eine Tischplatte“.
Doch bei der Nennung des Startpreises von 500 Euro herrscht gleich wieder Stille in der Kirche. „Das ist ganz schön viel Geld“, seufzt eine Dame. „Ich wüsste gar nicht, wohin damit“, eine andere. „550 Euro“, schallt es durch den Raum. Die Miene des Auktionators erhellt sich. Einen vierstelligen Betrag hat er sich vorgestellt.
Also lockt er die Besucherschar weiter, indem er das Geheimnis einer kleinen Klappe im Zifferblatt lüftet. „Im Jahr der Bibel verfing sich eine lange Fahne in den Zeigern und drohte die Mechanik zu zerstören. Also musste jemand auf den Turm steigen, die Klappe aufstoßen und die Fahne hereinziehen. Sehr zur Überraschung der Passanten.“
Noch immer kein weiteres Gebot. Peter Nieland meldet einen geheimnisvollen Telefonbieter, der immerhin auf 600 Euro erhöht. So sehr sich Ulrich Pätzold-Jäger auch bemüht, niemand will mitbieten. Also heißt es am Ende: „Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten.“ Damit geht das Zifferblatt an einen für die Gäste unsichtbaren Bieter, der am Samstagabend seine Identität nicht lüften will.