Wie ein Seebär auf der Ruhr
Eine neue Fähre musste her, weil die alte zu klein für die vielen Touristen war.
Witten-Herbede. Der frühere Formel1-Weltmeister Niki Lauda beendete einst seine Karriere, weil er keine Lust mehr hatte ständig im Kreis zu fahren. Ginge es danach, hätte Jürgen Lappenbusch schon lange seinen Job wechseln müssen. Denn der 55-Jährige fährt nicht einmal ein paar Kilometer im Kreis, sondern auf einer Stecke von vielleicht 150 Metern immer nur hin und her.
"Das macht mir überhaupt nichts aus", sagt Lappenbusch und schmunzelt. Er ist einer der Fährmänner der Ruhrtalfähre Hardenstein oberhalb des Kemnader Sees.
Die Fähre verkehrt zwischen der Burgruine Hardenstein und dem Schleusenwärterhäuschen in Witten-Herbede. Lappenbuschs Job: Radfahrer, Wanderer und Spaziergänger von einer Seite auf die andere bringen. Fahrzeit drei, vier Minuten pro Strecke.
Im dritten Jahr macht der "Ruhr-Seebär" diesen Job. Früher war er Gießereimodellbauer. Ein Beruf, den er gern weiter ausgeübt hätte. "Aber das ganze Ruhrgebiet ist ja nur noch Naherholungsraum", bedauert er. Modellbauer werden da kaum noch gesucht.
Andererseits hat Lappenbusch durch den Strukturwandel eine neue Arbeit gefunden. Natürlich ganz anders als seine frühere. Nein, zur See habe er nie fahren wollen, erzählt der Herdecker, während er versucht, das Boot trotz des Seitenwindes auf Kurs zu halten.
"Das ist manchmal nicht ganz einfach. Vor allem, weil die Windrichtung immer wieder wechselt", erzählt er. Er steuert das Boot an den Anleger, an dem bereits wieder etliche Ausflügler warten.
Viele sind mit größerem Gepäck unterwegs, fahren den kompletten Ruhrtalradweg von Winterberg bis nach Duisburg - von der Quelle bis zur Mündung. Oder umgekehrt.
Einige grüßen den Steuermann mit einem freundlichen Winken. "Sind auch viele Stammgäste dabei", erkennt Lappenbusch. "Leute, die hier aus der Ecke kommen."
Christina Liske kommt "hier aus der Ecke", nämlich aus Haßlinghausen und nutzt das schöne Wetter für einen Ausflug. "Ich bin ja eigentlich kein großer Fan des Radfahrens. Auch heute brauchten meine Freunde einiges an Überredungskunst.
Aber die Sache hier mit der Fähre finde ich echt super. Da kommt richtig Urlaubsstimmung auf", sagt die junge Frau lachend. "Wenn wir gleich auf der anderen Seite sind, machen wir erst mal Pause."
Ein etwas längeres Päuschen macht am anderen Flussufer unterdessen Burkhard Weiß. Gemütlich sitzt er auf einer Holzbank. Früher ist er meist gewandert, inzwischen ist der 57-Jährige aber auch viel mit dem Fahrrad unterwegs.
"Hier unten an der Ruhr macht es richtig Spaß zu fahren. Einfach, weil es eine so tolle Umgebung ist", findet der Bochumer. "Auf der anderen Flussseite im Muttental kann man übrigens sogar die alten Kohleflöze sehen."
So ortskundig ist Renaldi Richter freilich noch nicht. Der 43-Jährige gehört erst seit wenigen Tagen zur Crew der Ruhrtalfähre. Er steht vorne am Bug der Fähre, passt auf, dass beim Ein- und Ausstieg nichts schief geht und muss vor der Abfahrt eine Sicherheitskette einhängen.
27 Jahre war Richter der "junge Mann zum Mitreisen" beim Zirkus Sarani. Den Zirkus gibt es nicht mehr und Richter ist froh, dass er schnell was anderes gefunden hat. "Man hat heutzutage bei der Lage am Arbeitsmarkt keine große Auswahl. Aber der Job hier ist doch super. Ich finde gut, dass es so etwas gibt", sagt er.
Bis zu 50 Leute mit ihren Fahrrädern passen auf die neue Fähre, die erst vor ein paar Wochen in Dienst gestellt wurde und für eine deutliche Entspannung beim Übersetzen gesorgt hat.
Die kleine Vorgängerfähre konnte nämlich gerade einmal zwölf Passagiere aufnehmen, was in Spitzenreiten dafür sorgte, dass es zu Wartezeiten von mehr als einer Stunde kommen konnte. Und das hätte Fahrradmuffel Christina Liske aus Haßlinghausen sicher nicht in Hochstimmung versetzt.