Stichwahl in Düsseldorf Keller oder Geisel: Auf die Grünen kommt es an
Analyse | Düsseldorf · In Düsseldorf rüsten sich CDU und SPD zur Stichwahl – und buhlen vor allem um die Stimmen der ausgeschiedenen OB-Kandidaten
Gerade mal zwei Drittel der Stimmen waren am Sonntagabend ausgezählt, da rückte schon die komplette CDU-Führungsriege um Spitzenkandidat Stephan Keller und Parteichef Thomas Jarzombek bei der Wahlparty der Grünen im Innenhof des Düsseldorfer Rathauses an. Man gratulierte sich, dankte für einen fairen Wahlkampf, scherzte und strahlte. Wahlsieger besuchten Wahlsieger und der Zweck war völlig klar: Die CDU wirbt um die Grünen, um ihre Politiker und um ihre Wähler. Denn die könnten der Schlüssel sein, mit dem Stephan Keller bei der Stichwahl am 27. September das Tor zum Sieg und an die Rathausspitze aufschließt.
Ob das gelingt, ist nicht gesagt. Klar aber ist: Keller ist jetzt der große Favorit, er ist in der Vorhand. Und Thomas Geisel, der Amtsinhaber von der SPD, ist hinten dran. Dass er (26,27 Prozente) um fast acht Prozentpunkte (und mehr als 19 000 Stimmen) hinter seinem erst im Februar auf der Bühne erschienenen Herausforderer Stephan Keller (34,15 Prozent) liegen würde, hätten selbst die größten Optimisten in der CDU nicht für möglich gehalten.
Nun also geht es für beide um Zweierlei: Die eigenen Anhänger in knapp zwei Wochen noch einmal zum Wählen zu motivieren, was im konservativen Milieu meist leichter fällt. Und dann so viele Stimmen wie möglich von den anderen, nun ausgeschiedenen Parteien und Kandidaten abzugreifen. Keller darf gewiss mit einem Großteil der FDP-Wähler rechnen, Schwarz und Gelb eint die scharfe Ablehnung der Umweltspuren.
Keller liegt vorne, er benötigt deutlich weniger Fremdstimmen
Die große Frage ist, wie sich die fast 60 000 Grünen-Wähler verhalten. Eine klare Wahlempfehlung seitens der grünen Parteiführung wird es nicht geben, inhaltlich-ideologisch dürfte der größere Teil der grünen Klientel Geisel zuneigen. Aber: Keller liegt vorne, er benötigt deutlich weniger Fremdstimmen.
Eine Rolle wird spielen, welche Mehrheitskonstellation sich für den Stadtrat abzeichnet. Zwar wird vor der Stichwahl kein Bündnis mehr geschmiedet, die schwarz-grünen Sondierungen freilich haben wie gesagt schon am Wahlabend begonnen. Die CDU wird den Grünen auf jeden Fall weit entgegen kommen (müssen), sie hat keine andere realistische Machtoption, da eine große Koalition mit der SPD schon wegen der extrem knappen Mehrheit von nur einem Mandat kaum in Frage kommt. Die Grünen hingegen könnten auch die bisherige Ampel mit SPD und FDP verlängern, wobei die Liberalen wiederum stets betont haben, dass sie dabei nur noch mitmachen, wenn Geisel nicht mehr OB ist. Ob das in Stein gemeißelt ist, wird man sehen.
Keller könnte gewiss mit den Grünen, allerdings müsste er dafür unter anderem seine pauschale Ablehnung der Umweltspuren aufgeben. Und auch für die Grünen und ihre Basis ist ein Bündnis mit der CDU vorstellbar geworden, auch wenn einzelne Protagonisten beider Lager mental immer noch Welten trennen.
Bleibt die Frage, warum Amtsinhaber Thomas Geisel nur etwas mehr als ein Viertel der Stimmen bekam. Das ist deprimierend, wenn man bedenkt, mit welch großem Einsatz er sich in den sechs Jahren in sein OB-Amt gekniet hat. Natürlich, seine SPD war eher ein Klotz am Bein, während Keller von der bundesweit bärenstarken CDU mächtig Rückenwind bekam. Doch das allein kann es nicht gewesen sein, wie die SPD-OBs Reiner Breuer im „schwarzen“ Neuss und Frank Meyer in Krefeld mit ihren Erfolgen beweisen. Nein, Geisel war am Ende einfach in zu viele Konflikte geraten, weshalb er nie den – von ihm so gewünschten – Nimbus des über die Parteien hinweg geschätzten Machers und Stadtvaters erlangt hat. Es ging gleich 2014 klein los mit dem Abriss eines beliebten Gartenlokals im Südosten der Stadt, dann folgte der monatelange Kampf mit dem Vorstand der Stadtsparkasse über die Ausschüttungen an die Stadt, der Streit um die Tour de France, das geplatzte Ed-Sheeran-Konzert, natürlich die Umweltspuren und schließlich das „Corona-Video“ des Skandalrappers Farid Bang. In vielen dieser Streitfälle hatte Geisel die besseren Argumente, aber er stand immer im und unter Feuer. Und so wurde er mit jedem Konflikt, jedem Kampf umstrittener und zog immer neue Gegner auf sich.
Nun will er mit 1000 neuen Wahlplakaten und Motiven das Blatt doch noch wenden. Er versucht die Stich- zur Richtungswahl zu machen, um zu mobilisieren. Das Problem dabei: CDU-Mann Stephan Keller taugt nicht zum reaktionären Feindbild. Der Kölner Stadtdirektor, der bis 2016 in Düsseldorf Dezernent war, agiert unaufgeregt, moderat, aber zielstrebig. Das Geisel-Lager hat ihn und seine Ambitionen zu lange unterschätzt, dabei hat Keller im kurzen Wahlkampf von Tag zu Tag politisch Statur gewonnen.
Eines aber darf er auf keinen Fall: sich sicher fühlen. Geisel ist ein Kämpfer, der schon einmal, 2014 nach der ersten Runde acht Punkte (gegen Dirk Elbers) hinten lag – und in der Stichwahl glatt gewann.