Familienbetrieb in St. Tönis Geburtstag in St. Tönis: 115 Jahre Bäckerei Steeg

St. Tönis. · Der Familienbetrieb von Stefan Steeg hat schwierige Herausforderungen gemeistert. Seine Brotrezepte sind gepflegte Tradition.

Doris und Stefan Steeg nutzen noch immer einige der Brotrezepte, die sie von ihren Vorfahren erhalten haben.

Foto: Wolfgang Kaiser

Es gab Zeiten, da hatte jedes Dorf zehn bis 15 Bäckereien, und in allen stand ein Bäckermeister jeden Morgen ab 3 oder 4 Uhr in der Backstube und formte Brot und Brötchen. Heute gibt es oft nur noch eine Backstube in der Stadt. In St. Tönis ist das anders: Drei Familienunternehmen arbeiten hier seit Generationen im Bäckerhandwerk. Das älteste ist das Backhaus Steeg, das Ende des Monats Geburtstag feiert.

„Vor 115 Jahren hat mein Urgroßvater das Geschäft gegründet“, erzählt Stefan Steeg, Bäckermeister in vierter Generation. Im Oktober 1904 eröffnete Gustav Steeg an der Krefelder Straße eine Bäckerei mit Tante-Emma-Lädchen. Zehn Jahre lang der Laden gut, dann kam der Erste Weltkrieg, und Gustav Steeg wurde eingezogen. Als Bäcker, Koch und Essensträger wurde der Mann aus St. Tönis an der Front in Russland eingesetzt, weiß Stefan Steeg aus der Familiengeschichte zu berichten: „Meine Urgroßmutter Anna und ihre Kinder haben dafür gesorgt, dass das Geschäft bis zur Rückkehr ihres Mannes weiterlief.“

Die Bäckerei Steeg eröffnete 1904 an der Krefelder Straße.

Foto: Steeg

In beiden Weltkriegen wurde
das Geschäft von Frauen geführt

Einer der beiden Söhne, Franz, lernte das Bäckerhandwerk von seinem Vater und eröffnete mit seiner Frau Josephine 1932 an der Schulstraße eine eigene Bäckerei. Dann kam der Zweite Weltkrieg, und Franz Steeg wurde eingezogen. Wieder war es die Frau, die das Geschäft weiterführte, doch Josephine hatte nicht so viel Glück wie Anna: Ihr Mann kam nicht zurück von der Front. Aber die junge Frau ließ sich nicht entmutigen und führte die Familientradition weiter, bis ihr Sohn Gustav, benannt nach dem Großvater, alt genug war, um das Geschäft zu übernehmen. „Das war mein Vater“, sagt Stefan Steeg.

Zunächst befand sich die Backstube an der Antoniusstraße. 1962 kaufte das Ehepaar Gustav und Lisbeth Steeg das Haus an der Willicher Straße 1, wo Bäckerei und Konditorei sich bis heute befinden. Sohn Stefan begann mit 16 Jahren eine Bäckerlehre, besuchte die Meisterschule und übernahm 1991 gemeinsam mit seiner Frau Doris, die ebenfalls aus einer Bäckerfamilie stammt, das elterliche Geschäft.

2008 zerstörte ein gelegtes Feuer Backstube und Verkaufsraum

Gemeinsam schauen die Steegs auf viele schöne, aber auch einige schwere Jahre zurück. „Als es hier 2008 gebrannt hat, habe ich gedacht: Gut, dass Papa das nicht mehr erlebt“, erinnert sich Stefan Steeg an eine besonders dunkle Stunde aus der Firmengeschichte. Brandstifter hatten die Container vor der Backstube angezündet. Das Feuer griff auf das Haus über und zerstörte die Bäckerei und den Verkaufsraum. Vier Monate lang blieb das Geschäft geschlossen. Alle Maschinen mussten ausgetauscht werden, die Backstube wurde neu gefliest, das Dach saniert, der Verkaufsraum komplett renoviert.

Aber damit nicht genug: „Dann kam der Wasserrohrbruch im Café“, erinnert sich der 59-Jährige. Nur ein paar Monate, nachdem die Bäckerei wieder eröffnet hatte, platzte ein Wasserrohr im Café Steeg, das die Familie 2000 an der Hochstraße eröffnet hatte. Wie sich herausstellte, war der Schaden an dem alten Haus so enorm, dass nur noch der Abriss blieb. Drei Jahre warteten die Steegs auf die Baugenehmigung, 2014 konnte das Café im Neubau dann endlich den Betrieb wieder aufnehmen.

Vieles hat sich geändert in den 115 Jahren, die es die Bäckerei Steeg in St. Tönis gibt. Die alten Rezepte aber, die hat Stefan Steeg immer noch. „Wir backen zwar heute die Kuchen mit weniger Hefe als früher, und hin und wieder probieren wir natürlich auch etwas Neues aus, aber von den 35 Brotsorten, die wir im Rundlauf haben, werden viele noch nach den alten Rezepten zubereitet“, erzählt der Bäckermeister.

Auch damit hält er die 115 Jahre lange Familientradition weiterhin aufrecht.