Meerbusch Schon als kleiner Steppke war die Backstube das Zuhause

Jochen Wieler führt die Bäckerei Wieler in Lank-Latum in vierter Generation. Sie besteht seit 1898.

Für Bäcker Jochen Wieler beginnt der Tag um 3.30 Uhr.

Foto: Angelika Kirchholtes

Eine echte Lanker Bäckerdynastie feiert in diesem Jahr ihren 120. Geburtstag. Darauf ist Jochen Wieler, Inhaber in der vierten Generation, stolz. 1898 gründete sein Urgroßvater den Betrieb, zu dem heute neben dem ursprünglichen Geschäft in der Lanker Fußgängerzone weitere sechs Bäckereien in Meerbusch sowie je zwei in Neuss und Willich gehören. „Es war mir immer klar, dass ich das Geschäft übernehmen würde. Ich habe noch heute Spaß daran“, sagt der 56-Jährige, der im Lanker St. Elisabeth Hospital geboren wurde, also ein echt Lanker Junge ist.

Schon als kleiner Steppke war die Backstube hinter dem Geschäft sein Zuhause. Konnte er nachts nicht schlafen, legte ihn sein Vater kurzerhand auf einen Mehlsack, um ihn im Blick zu behalten. Warm und wohlig fühlte sich der kleine Jochen dort. Er musste eher als gedacht Verantwortung übernehmen, da sein Vater früh nach einer schweren Krankheit starb. Da war Jochen Wieler 28 Jahre alt, hatte aber bereits seinen Meisterbrief in der Tasche sowie das Diplom als Betriebswirt des Handwerks. „Damals waren Lehrstellen knapp“, erinnert er sich. Sogar als Bäckerssohn hatte er Schwierigkeiten, im benachbarten Krefeld eine Stelle zu finden. „Heute haben wir offene Stellen, aber wenige Bewerber“, bedauert er. Derzeit lernen drei Auszubildende bei Wieler, darunter Tochter Hanna und ein Flüchtling aus Syrien.

Der Tag des Bäckers beginnt um 3.30 Uhr in der Früh. Nach einem Kontrollgang durch die Backstube fährt er selbst die erste Auslieferungstour, die Krankenhäuser in der Umgebung beliefert. „Daher mache ich noch jeden Tag ein Mittagsschläfchen“, verrät er. In der Backstube im Lanker Zentrum wird alles für die Filialen gebacken: Brot, Brötchen und Kuchen. Zum Beispiel rund 1500 Brote pro Tag in den verschiedensten Varianten. „Zu Zeiten meines Großvaters, der eine Zeitlang Bürgermeister vom Amt Lank war, gab es nur Weißbrot, Roggenbrot und Mischbrot“, erzählt Wieler.

Dinkel, Chia, Sonnenblumenkerne sind keine Fremdworte mehr

Erst sein Vater habe die heutige für Deutschland typische Vielfalt eingeführt. Dinkel, Chia oder Sonnenblumenkerne sind kein Fremdwort mehr. „Wir beziehen unsere Zutaten aus der Region. Alle Brote werden von Hand gemacht“, unterstreicht er. Chemie komme nicht in Frage. Brot gehöre zu den hochwertigsten Lebensmitteln. So enthalte ein Toast mehr Ballaststoffe als ein Apfel. Brote, die nicht im Verlauf des Tages verkauft werden, gehen an die Tafeln in Meerbusch, Krefeld oder Willich. Im November und Dezember herrscht Hochbetrieb bei Wieler. Für das Personal gilt Urlaubssperre. Zunächst werden Tausende von Weckmänner gebacken, die nicht nur in den Verkauf gehen, sondern auch in die Martinstüten in vielen Ortsteilen Meerbuschs.

Danach wird Weihnachtsgebäck produziert. Besonders lecker seien die Zimtsterne, schwärmt der Bäckermeister und öffnet gleich eine Tüte zum Probieren. Froh ist er, dass die Familie mit Ehefrau Sylvia hinter ihm steht und Tochter Hanna den Betrieb übernehmen wolle. Außerdem setzt er auf ein bewährtes Team, das ihm teilweise schon Jahrzehnte die Treue hält. „Meine Tochter macht derzeit ein Praktikum in der Backstube von Harrod’s in London“, erzählt er.

Nach ihrer Meisterprüfung wolle sie noch Betriebswirtschaft studieren. Denn heute komme es nicht nur auf das Backen an, sondern auch auf eine professionelle Unternehmensführung. In seiner Freizeit schätzt der Bäckermeister das ländliche Umfeld von Lank mit den vielen Möglichkeiten, in der Natur spazieren zu gehen. Auch bei den Schützen ist der Bäcker fest verwurzelt. An ein Weggehen aus Lank habe er nie gedacht. „Lank ist ein wunderschöner Ort“, sagt er.