Nach Urteil zur Kükentötung NRW-Brütereien fürchten Verdrängung durch Eier aus dem Ausland
Düsseldorf · Die Erzeuger zeigen sich offen für Alternativen zur Kükentötung. Sie stellen aber auch klar: Es wird teurer. Das dürfe nicht nur an ihnen hängen bleiben.
Im Tauziehen um das Verbot der Kükentötung hatten Tierschutz und Politik eine starke Lobby – die Brütereien wurden vielfach zu eiskalten Profitgeiern stilisiert, die zugunsten der Gewinnmaximierung niedliche Küken in den Schredder werfen. Dagegen wehren sich Erzeuger aus NRW, die durchaus offen für Alternativen sind. Doch tragen Einzelhandel und Verbraucher auch die Konsequenzen mit?
Rainer Krietenbrink betreibt eine der großen Brütereien in Delbrück, die Region zwischen Paderborn und Gütersloh ist traditionsreiche Geflügelzucht-Hochburg in NRW. Er sagt: „Wir stehen voll und ganz auf Seiten des Tierschutzes.“ Die Kükentötung sei „aus heutiger ethischer Sicht nicht mehr zu vertreten“. Da ist er ganz bei Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, der das Urteil mit den Worten kommentierte: „Wir wollen lieber heute als morgen aus dem Kükentöten aussteigen.“ Wenn die Technik zur Geschlechtserkennung bei ungeschlüpften Küken denn verfügbar ist.
Krietenbrink stellt aber auch klar: Quälerei ist die Tötung nicht. Er sei sicher, jede Brüterei in Deutschland zu kennen, und in keiner würden die Tiere geschreddert. Er selbst versucht, einen Teil der Männlein als sogenannte Bruderhähne aufzuziehen und das Fleisch zu vermarkten, auch wenn sie dafür nicht ideal geeignet seien. Die Eintagsküken, für die er keine Verwendung habe, würden in Sekundenschnelle vergast und gingen „zu 100 Prozent“ als Futtermittel etwa an Zoos. „Dafür gibt es einen Absatzmarkt.“
In der Hand haben es letztlich Handel und Verbraucher
Die Geschlechtserkennung im Ei bedeute „Investitionen von Millionen“, so der Züchter. Er werde sie dennoch sofort tätigen, wenn die Verfahren denn praxistauglich würden. Dennoch bezweifelt er, dass kleinere Betriebe da mithalten können. „Regionalität wird gefährdet“, sagt er. Das fürchtet auch Reinhard Franzsander, der in Delbrück einen Geflügelhof betreibt und seine Küken von einem Nachbarn bezieht: „Für die kleinen Brütereien ist das das Ende.“ Er hofft, dass sich die Erzeuger der Region zusammenschließen können, um gemeinsam die Kosten für die Geschlechtserkennungstechnik zu schultern. „Da hängt gewaltig etwas dran für uns.“ Zumal bei den europäischen Nachbarn die Kükentötung erlaubt bleibe. „Dann werden die Küken aus Polen oder Tschechien kommen“, prognostiziert Franzsander.
Letztlich hängt es auch am Verbraucher, sagt Johannes Johanngieseker vom Geflügelhof Gieseker in Halver zwischen Sauerland und Bergischem Land – der das Urteil prinzipiell für „goldrichtig“ hält. Denn ob Aufzucht der Bruderhähne oder Technik zum Aussortieren männlicher Embryos: Das Fleisch oder das Ei werde teurer. „Alle wollen es, aber es muss auch entlohnt werden.“
Rainer Krietenbrink hofft auch auf die Einsicht des knallhart um Preise feilschenden Handels. Schließlich sei es die eine Frage, ob ein Verbraucher für sein Kükentötung-freies Ei mit Siegel mehr zahlen wolle, und eine andere, was mit all den Lebensmitteln ist, in denen Ei ohne jede Herkunftsbezeichnung verwendet wird. Laut Westfälisch-Lippischem Landwirtschaftsverband werden schon jetzt 30 Prozent der Eier aus dem Ausland eingeführt. Es drohe ein Verdrängungswettbewerb, warnt man auch dort. Ebenfalls für kleine Betriebe, welche die Kosten nicht schultern könnten, müsste eine Lösung gefunden werden. Letztlich aber auch für die Abnehmer von Eintagsküken, die diese als Futtermittel für ihre Tiere bräuchten.