Ausstellung im Düsseldorfer Kunstverein Künstlerin zeigt Video über Kitzeln

Düsseldorf · Die Filmemacherin Vika Kirchenbauer erzählt Kunst entlang der eigenen ­Biografie. Dabei ist die Ausstellung im Kunstverein radikal und schwer verrätselt.

Filmemacherin Vika Kirchenbauer stellt derzeit im Kunstverein aus.

Foto: Judith Sieber

Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Das sagt der Kleine Prinz. Damit meint er vielleicht nicht diese Lichtundurchlässigkeit, die Opazität, die die Künstlerin Vika Kirchenbauer untersucht. Ihr Thema ist die Unklarheit der Welt, ihre Grenzen und Gesetze, Rituale und institutionellen Regeln, die den Blick auf das verbauen, was wesentlich ist. Kirchenbauer ist Phänomenen auf der Spur, die sie bedrängen, die sich weit weg vom Vordergründigen ereignen und letztlich doch dem Herzen als Sitz des Gefühls zuordnen lassen. Es sind Phänomene ihres Lebens, Wahrnehmens und Denkens, die sie anpackt und überwiegend filmisch inszeniert.

Die grell gekleidete Frau mit türkisblauem Haarschopf ist erstmals Akteurin einer institutionellen Ausstellung, zu der sie die bald scheidende Kunstvereinschefin und künftige Aachener Museumsdirektorin an den Grabbeplatz eingeladen hat. Eva Birkenstock gefallen die vielen Pole und Themen, das Drängen nach Transparenz im Werk der 1983 im Schwarzwald geborenen Künstlerin, die als Regisseurin, Musikerin und Autorin in Berlin lebt.

Fensterscheiben wurden
mit blauer Folie versiegelt

„Feelings that move nowhere“ ist Titel und gleichzeitig Leitmotiv, „Gefühle, die ins Nirgendwo gehen“. Verrätselt sind die Arbeiten, eine überschaubare Menge an Videos und Installationen wurde aufgebaut. Der Besucher hat viel dazuzutun, muss nachlesen, will er verstehen. Schaut er nur, nimmt er sogleich die Abschirmung zur Außenwelt wahr. Mit blautransparenter Folie wurde die Fensterscheibe versiegelt, an der Decke hängen UV-Leuchtstoffröhren. Auf vielfarbigen Schaumstoffsitzen soll man Platz nehmen, die Kopfhörer aufsetzen und ein Kitzel-Video betrachten, „The Island of Perpetual Tickling“, (2018). Drei Menschen sind beschäftigt beim bösen Spiel, Kitzeln total im Einkanal-Video von 35 Minuten. Eine gefilmte Performance unter Beteiligung der Künstlerin: Das Opfer ist gefesselt und ausgeliefert. Irgendwann ist Kitzeln nicht mehr lustig. Kitzeln kann Folter sein. Von „emotionaler Ablasshandlung“ spricht Kirchenbauer, an anderer Stelle schreibt sie über ein wiederaufgeführtes Kindheitstrauma. Sie hasse es, gekitzelt zu werden, weil sie es hasst, keine Kontrolle über sich selbst zu haben. Ihre Intention geht noch weiter. Mit dem Kitzel-Video spielt sie auf Mechanismen des Kunstbetriebs an wie auch auf die Mechanismen der Kunstkritik. Der eigentliche Spielort des Kunstvereins hat ein imposant-farbiges Spielfeld erhalten. Er dient als Kinosaal. Die Filme führen durch ein wirklich wildes anstrengendes Leben, für dessen oft unerträgliche Ausschläge die Künstlerin Filmszenen erfindet. Einmal wird die eigene Biografie in Gutachterdeutsch nacherzählt. Traurig und tragisch getönt. Treffende Bilder, Musik und Texte. Schönheit braucht hier niemand zu suchen, Kirchenbauer betreibt radikale Selbstausleuchtung, mutet Körper und Betrachter Grenzüberschreitungen zu, die sie mit „Shame/Humiliation“ („Scham/Erniedrigung“) überschreibt und die sie ausnahmsweise nicht weiter erklärt. Nur so viel: Dass die wie sezierende Röntgenaufnahmen sexueller Akte wirkenden Kurzfilme Blicke unter die Haut gewähren, die die Grenzen des Sichtbaren überschreiten.

Wieder hat Birkenstock eine grenzgängerische Schau ermöglicht, die man am besten bei den Veranstaltungen mit der Künstlerin verstehen kann.