Fragen & Antworten Warum Thomas Kutschaty die NRW-SPD führt

Thomas Kutschaty ist nicht jedermanns Liebling, hat sich aber ansehnlich nach oben gekämpft. Seit Samstag ist er SPD-Landespartei- und Fraktionschef - woher das kommt und was nun folgt.

Thomas Kutschaty, jetzt auch SPD-Landesvorsitzender, beim digitalen Parteitag in Neuss.

Foto: dpa/Julia Meya

Wer ist Thomas Kutschaty?

Zweifelsfrei seit Samstag der neue Taktgeber in der NRW-SPD, mindestens für die Wahlen im Bund im Herbst und im Mai 2022 in NRW, dann auch als Spitzenkandidat. Was danach kommt, hängt von SPD-Ergebnissen ab: Kutschaty ist nicht jedermanns Liebling, hat sich aber ansehnlich nach oben gekämpft. Nur schlechte Ergebnisse würden ihm das Erreichte streitig machen. Die Bindungskraft innerhalb der Partei dürfte durch die geeinten Ämter des Fraktions- und Parteichefs größer geworden sein, die Gesamtsituation der NRW-SPD bleibt mit ihren 97300 Mitgliedern aber labil: Während zuvor lange Hannelore Kraft das Zepter hielt und alles auf die Mülheimerin ausgerichtet war, ist seit ihrer Landtagswahl-Pleite 2017 ihr Ex-Justizminister Kutschaty als Mann des Essener Nordens bereits der dritte Landesparteichef: zuerst sammelte der Oberhausener Michael Groschek die Scherben zusammen, dann installierten die alten Granden Sebastian Hartmann (geboren in Oberhausen) aus dem Bundestag. Jetzt übernimmt der dreifache Vater Kutschaty.

Wie konnte der so mächtig werden?

Fehlende Präsenz und Aura Hartmanns hat es nicht sonderlich erschwert. Seit Kutschaty sich in Kampfkandidatur gegen den heutigen Hammer Oberbürgermeister Marc Herter in der Fraktion durchgesetzt hatte, arbeitete er ohne authentischen Kontakt zu Landeschef Hartmann als präsentes SPD-Gesicht in NRW stetig an dessen Nachfolge. Letztlich erfolgreich, weil Hartmann sich eine Kampfkandidatur nicht antun wollte und das Feld verließ – wohl mit der innerparteilichen Zusage für einen attraktiven Landeslisten-Platz für die Bundestagswahl. Klar ist aber: Die SPD muss im Land zulegen, letzte Umfragen sahen sie bei 17 Prozent.

Wie ging Sebastian Hartmann?

In seiner Rede klang neben wiederholter Forderung für Teamarbeit auch Verbitterung durch. „Vertrauen entsteht nicht über Nacht.“ Hartmann verwies auf die Verluste bei Europa- und Kommunalwahl 2020. „In dieser Phase kann keiner Wunderheiler sein.“ Man habe auch nicht immer mit einer Stimme gesprochen. Es habe „manchmal auch dunkle Momente“ und „Personalquerelen“ gegeben.

Wie lief der Parteitag?

Digital, aus einem Hotel in Neuss heraus. Der größte SPD- Landesverband wählte Kutschaty mit 90,5 Prozent der Stimmen (400 von 442 Delegierte). 33 stimmten gegen ihn, neun enthielten sich. Das ist ein gutes Ergebnis, der 52-Jährige scheint im Hintergrund gut eingesammelt zu haben, weil ihm zuvor ein Teil der NRW-SPD den leisen, aber engagierten Kampf gegen Vorgänger Hartmann übel genommen hatte. Thema war das bei Kanzlerkandidat Olaf Scholz und den SPD-Parteichefs Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken aber nicht: Man schaut lieber in die Zukunft, gewährt dem als Groko-Ablehner etablierten Landespolitiker nun „jede Unterstützung“. Die SPD will Geschlossenheit um jeden Preis. Das überdeckt Wunden, die erst später aufreißen könnten. Der Vorsitzende der NRW-Landesgruppe im Bundestag, Achim Post, sagte: „Jetzt gilt es, die CDU von Armin Laschet gemeinsam politisch zu stellen.“

Was ist Kutschatys wichtigste Aufgabe?

Der SPD ein klares Profil zu geben, sich nicht nur als Wadenbeißer der Landesregierung in NRW zu verdingen und weiter an Unterscheidbarkeit zu basteln, dazu auch die Parteizentrale organisatorisch neu aufzubauen. „Die Zukunft gehört nicht den Verzagten, die Zukunft gehört den Mutigen“, sagte er und machte keinen Hehl daraus, dass der SPD ein Linkskurs gut tut. Er sprach gegen Lehrer- und Erziehermangel, für bezahlbare Wohnungen, der Mindestlohn sei viel zu niedrig. Und: Die Gründung von Betriebsräten müsse einfacher werden. Die SPD sei „seit 158 Jahren die Anwältin aller Menschen, die nicht mit Vermögen und Privilegien auf die Welt gekommen sind“. Der Jurist referierte auf seine Herkunft aus einer Eisenbahnerfamilie und die erste Zweieinhalb-Zimmer-Sozialwohnung seiner Eltern, auch auf seine Arbeit beim Mieterschutzbund. Er entwarf das Bild gefräßiger Miethaie, denen er sich für den kleinen Bürger entgegen gestellt habe. Eltern und SPD-Politik hätten ihm seine Karriere als erster Abiturient und Jurist der Familie ermöglicht.

Wie stellt sich die NRW-SPD auf?

Im Team bestätigt wurden die fünf stellvertretenden Vorsitzenden Marc Herter, Elvan Korkmaz, Veith Lemmen, Sören Link und Dörte Schall, auch Generalsekretärin Nadja Lüders und André Stinka als Schatzmeister.